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Ein Bild aus besseren Zeiten: 2008 lief zwischen Oleg Deripaska (re.) und Wladimir Potanin noch alles halbwegs gut. Mittlerweile liefern sie sich in der Schweiz einen milliardenschweren Machtkampf.

Foto: Reuters/Sergei Karpukhin

Russische Oligarchen im Streit um Rohstoffe, Macht und Milliarden beschäftigen vermehrt europäische Gerichte. Ein Rechtsstreit hat nun die Schweiz erreicht und droht der Reputation des Finanzplatzes zu schaden.

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Wien - Es ist ein Machtkampf, der Stoff eines Wirtschaftskrimis sein und zu einem der größten Geldwäschereiskandale der Schweiz führen könnte. Die Hauptakteure: Zwei verfeindete russische Oligarchen, Oleg Deripaska und Wladimir Potanin, jeder laut Forbes-Liste über zehn Milliarden US-Dollar schwer. Beide ringen in der Schweiz, einem der bedeutendsten Finanzplätze der Welt, um die Kontrolle des Rohstoffkonzerns Norilsk Nickel.

Im August hat Deripaska in Bern bei der Bundesanwaltschaft und der Finanzmarktaufsicht (Finma) Strafanzeige gegen Potanin und andere eingebracht. Im Mittelpunkt der Anschuldigungen steht pikanterweise die Privatbank Hyposwiss, Tochter der St. Gallner Kantonalbank (SGKB), die eine staatliche Bank ist und - so lautet einer der Vorwürfe - es gewaltig an ihrer Sorgfaltspflicht missen ließ. Anklagepunkt: Geldwäsche in Milliardenhöhe mithilfe des - mittlerweile zurückgetretenen - Verwaltungsrates der Hyposwiss, Hans Bodmer.

Dahinter steht ein Machtkampf, der seit Jahren um Norilsk Nickel tobt. Norilsk ist der größte Nickel- und Palladiumproduzent der Welt, seine Marktkapitalisierung beträgt um die 34 Mrd. Dollar. 2010 machte der Konzern nach eigenen Angaben fünf Mrd. US-Dollar Nettogewinn. Dominiert wird er von Wladimir Potanin, dem ehemaligen russischen Vizepremierminister unter Boris Jelzin und Chef des milliardenschweren Unternehmens Interros. Über Interros hält Potanin etwa 30 Prozent der Aktien des börsennotierten Unternehmens Norilsk. Ebenfalls Aktionär bei Norilsk ist sein Gegenspieler Oleg Deripaska. Der studierte Nuklearphysiker ist mit 17 Prozent am Baukonzern Strabag von Hans Peter Haselsteiner beteiligt und Hotelbesitzer in Lech, Eigentümer des weltgrößten Aluminiumkonzerns Rusal und hält 25 Prozent der Aktien an Norilsk.

Deripaska wirft Potanin vor, mithilfe der Hyposwiss Scheingeschäfte in gewaltigem Ausmaß abgezogen zu haben: Aktienverkäufe und -rückkäufe sollen über Offshore-Firmen stattgefunden und Konzern und Aktionäre um mindestens eine Milliarde US-Dollar geschädigt haben.

"Kriminelle Transaktionen"

Im Herbst 2010 verkaufte das Management von Norilsk ein Bündel Aktien um günstige 180 Dollar das Stück. Anschließend kaufte Norilsk eine vergleichbare Anzahl Aktien über ein Rückkaufprogramm zurück: zum Preis von 250 Dollar pro Aktie. Offiziell gingen die Aktien an den niederländisch-schweizerischen Rohstoffkonzern Trafigura. Doch in der Anzeige Deripaskas liest sich das anders.

Demnach sei Trafigura nie Käufer gewesen. Es habe sich um ein Scheingeschäft gehandelt, die verkauften Aktien seien im Besitz von Gesellschaften geblieben, die von Potanins Firma Interros kontrolliert werden. Verkaufsverträge und Konto-Unterlagen, die dem Standard vorliegen, lassen vermuten, dass einige der Transaktionen über Offshore-Firmen liefen, die ihre Konten bei der Hyposwiss und ihre Adresse bei Bodmers Anwaltskanzlei in Zürich haben.

In der Anzeige heißt es, die Bank habe sich als "Drehscheibe einer kriminellen Transaktion in Milliardenhöhe instrumentalisieren lassen". Mehrere der Offshore-Firmen mit Namen wie Crelios oder Delmonico wurden nach dem Geschäft aufgelöst und aus dem Handelsregister gelöscht.

Deripaska hat ein heikles Dokument, das seine Behauptungen stützt: Norilsk wird von der international anerkannten Revisionsfirma KPMG geprüft. Diese musste in ihrem Bericht 2010 einen Vorbehalt anbringen: Da bei dem umstrittenen Aktiengeschäft die wirtschaftlich Berechtigten nicht identifiziert werden konnten, könne nicht klar gesagt werden, ob es sich um Transaktionen mit unabhängigen Drittparteien gehandelt habe, schreibt die KPMG.

Der Fall liegt beim Bundesgericht und der Finma. Die Bundesanwaltschaft hat die Anzeige nicht angenommen. Falls die Strafanzeige eingestellt wird, drohte Deripaska in dem Wirtschaftsmagazin Eco bereits mit einer Zivilklage gegen die Hyposwiss. Zuvor hat der Oligarch bereits zwei Schlappen kassiert: Die Niederlande wiesen seinen Antrag ab, Trafigura-Mitarbeiter zu befragen, ein karibischer Staat die Klage gegen Tochterunternehmen von Norilsk.

Ein Punkt, der am Rande zu klären sein wird: wie Bodmer mit Segen der Finma zu seinem Job kam. Der Rechtsanwalt hatte sich zuvor bei einem Fall der Geldwäscherei in den USA für schuldig erklärt. (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.12.2011)