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Ein Wahlplakat der HDZ mit Spitzenkandidatin Jadranka Kosor nahe des Flughafens von Zagreb.

Der Slogan: "Stimmen Sie für den Kampf gegen die Korruption und für die Integration Kroatiens in Europa."

Darunter: "HDZ: Am Besten, wenn es am Schwierigsten ist.

Foto: REUTERS/Nikola Solic

Zur Person: Henriette Riegler ist Südosteuropa-Expertin des in Wien ansässigen Österreichischen Instituts für Internationale Politik (ÖIIP). Die vergangenen vier Jahre hat sie in Zagreb am Institut für Internationale Beziehungen gearbeitet.

Foto: Henriette Riegler

Umfragen zufolge wird die konservative Kroatische Demokratische Union (HDZ) nach den Wahlen am Sonntag nicht mehr die Ministerpräsidentin stellen. Zu verärgert sind die Kroaten über die Korruptionsskandale dieser Partei. Der ehemalige Ministerpräsident Sanader steht vor Gericht, die Staatskassen sind leer, das Budgetdefizit und die Arbeitslosigkeit sind hoch. Für den vermutlichen Wahlsieger, die Sozialdemokraten, wird es schwierig werden, die Balance zwischen notwendigen Sparmaßnahmen und sozialem Ausgleich zu finden. "Fast ein Ding der Unmöglichkeit", sagt Henriette Riegler, Südosteuropa-Expertin des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (ÖIIP).

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derStandard.at: Die HDZ hat bisher nur 2000 bei Parlamentswahlen verloren. Jetzt wird den Konservativen eine Niederlage vorhergesagt. Gibt es Parallelen zur Situation damals?

Riegler: Der damalige Machtverlust der HDZ war verbunden mit sehr viel Unzufriedenheit mit der Regierung. Aber auch der voraussehbare Tod des damaligen HDZ-Chefs und der zentralen Schlüsselfigur der Partei, Franjo Tuđman, war ein entscheidender Faktor. Natürlich ist Ivo Sanader nicht gestorben. Aber es gab einen unfreiwilligen Abgang. Er wird jetzt politisch auseinandergenommen. (Sander muss sich wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht verantworten, Anm.)

derStandard.at: Warum kann Kosor nicht von Sanaders Abgang profitieren?

Riegler: Kurz nach dem Rücktritt hat es auch so ausgesehen. Kosor hat als „neue Kraft" der HDZ sehr viele Vorschusslorbeeren bekommen. Es gab aber auch schon immer Zweifel, weil sie eine Vertraute Sanaders war und ohne ihn nicht in diese Position gekommen wäre. In der Anfangsphase war ja auch unklar, warum Sanader zurückgetreten ist. Sanaders Rücktritt war ein politisches Erdbeben in Kroatien. Dann wurde Kosor als Alternative aus dem Hut gezaubert.

derStandard.at: Kosor hat sich bald vehement von Sanader distanziert, ihm die angestrebte Rückkehr in die Politik verweigert und ihn aus der Partei ausgeschlossen.

Riegler: Kosor kommt aus der Mitte der HDZ und war lange Zeit eine Alliierte Sanaders. Es gibt Zweifel daran, ob sie wirklich von all den Machenschaften Sanaders nichts gewusst hat. Deswegen kann sie sich nicht glaubwürdig als neue Kraft an der Spitze der HDZ positionieren, die mit all den Vorfällen der Vergangenheit nichts zu tun hat.

derStandard.at: Was ist ihre Einschätzung: Wieviel hat Kosor gewusst?

Riegler: Auf der einen Seite kann ich mir vorstellen, dass sie manche Dinge nicht gewusst hat, weil Sanader zum Teil auch als Privatperson agiert hat. Sanader hat oft nicht zwischen privaten Interessen und dem Interesse der Partei unterschieden. Dass sie aber ganz blauäugig ist, was Korruption in der HDZ und um Sanader betrifft, kann ich mir nicht vorstellen.

derStandard.at: Die EU-Beitrittsverhandlungen wurden während Kosors Amtszeit abgeschlossen. Stimmen scheint ihr das aber nicht zu bringen. Warum nicht?

Riegler: Der EU-Beitritt war immer das große positive Ziel der HDZ. Das hat auch Kosor so gesehen. Wahlentscheidend ist das aber nicht. In den Augen der Bevölkerung hat die HDZ das Land abgewirtschaftet. Die wirtschaftliche und die soziale Lage sind so problematisch, dass die Leute etwas anderes wollen. Man sieht von außen oft nicht in welchem Ausmaß die HDZ und ihre Akteure Korruption betrieben haben oder wie Staatsbetriebe an private Unternehmen verschleudert wurden.

derStandard.at: Beruht der Erfolg der Sozialdemokraten nur auf dem Misserfolg der HDZ?

Riegler: Das ist sicher ein Abstrafen der HDZ. Aber die Sozialdemokraten sind auch diejenigen, die nicht korrupt sind. Vielleicht gibt es Einzelfälle, aber die Systematik wie es sie bei der HDZ gab, ist bei der Opposition nicht zu finden.

derStandard.at: Hat das auch damit zu tun, dass sie nicht an der Macht waren und deswegen nichts zu verteilen hatten?

Riegler: Sicher auch, aber ich denke es ist auch eine inhaltliche Frage. Die Sozialdemokraten haben eine andere Vorstellung davon, was der Staat ist. Die HDZ hat den Staat für ihre Zwecke gekidnappt und das Staatsvermögen als etwas Privates gesehen, das man in der Familie verteilt. Dieses Denken hat die Mitte-Links Koalition meiner Meinung nach nicht. In ihrer Vorstellung sollte der Staat an die Schwachen umverteilen. Das ist eine andere politische Richtung.

derStandard.at: Die wirtschaftliche Situation ist wenig rosig: hohe Arbeitslosigkeit, großes Budgetdefizit - ein Sparprogramm scheint unausweichlich. Wie denken sie, werden die Sozialdemokraten die Schwerpunkte setzen -vorausgesetzt sie gewinnen die Wahlen?

Riegler: Normalerweise bedeutet Sozialdemokratie Umverteilung und den Ausgleich der sozialer Unterschiede über staatliche Mittel. Vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Situation ist das fast eine unmögliche Aufgabe. Der Wahlkampf hat sich auch von Seiten der Opposition sehr auf die Korruption konzentriert. Wirtschaftsfragen wurden oft an Experten delegiert. Zoran Milanović, der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, hat sich allerdings gegen einen strikten Sparkurs ausgesprochen. Ich gehe davon aus, dass Kroatien internationale Kredite - Stichwort Internationaler Währungsfonds - aufnehmen muss. Da bahnen sich große Interessenkonflikte an. Ein Weg, um mehr Geld in die Staatskassen zu spülen könnte auch sein die Proponenten der Korruptionsaffären zur Kasse bittet. Es hat da einen riesigen Reichtumstransfer von den öffentlichen Kassen auf private Konten gegeben.

derStandard.at: Wie könnte sich die HDZ im Falle einer Niederlage in der Opposition neu positionieren?

Riegler: Was ich mir vorstellen könnte ist, dass die HDZ wieder EU-kritischere Töne anschlägt. Diese Stimmen hat sie parteiintern bisher immer unterdrückt, weil sie in den vergangenen Jahren den EU-Beitritt vorangetrieben haben. EU-Kritik kommt in Kroatien vorwiegend aus dem rechten politischen Lager und würde auch in die Ideologie der HDZ passen. Sanaders pro-europäischer Kurs war innerhalb der Partei nicht unumstritten. Traditionell ist die HDZ eher isolationistisch und europa-feindlich. Dieses Lager in der HDZ könnte nach einer Wahlniederlage wieder leicht Oberwasser gewinnen.

derStandard.at: Wird Kosor eine Niederlage politisch überleben?

Riegler: Es gibt verschiedene Szenarien: Kosor könnte entweder gleich zurücktreten und von einem aus der alten Garde der HDZ oder von einem „jungen Helden" abgelöst werden. Oder Sie muss die Niederlage noch mitverantworten und ihre Ablöse an der Spitze der Partei passiert erst nachdem sie „die Kastanien aus dem Feuer" geholt hat. (mka, derStandard.at, 1.12.2011)