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Der 18-jährige Yunus M. unterlag am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Er darf an seinem Berliner Gymnasium nicht mehr öffentlich Richtung Mekka beten.

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Der Streit begann im November 2007. Schüler wie Lehrer am Diesterweg-Gymnasium in Berlin-Wedding staunten nicht schlecht, als acht Schüler in einer Pause am Schulflur ihre Jacken ausbreiteten und sich darauf niederließen, um Richtung Mekka zu beten.

Schulleiterin Brigitte Burchhardt untersagte der Gruppe das Gebet mit der Begründung, sie wolle Spannungen zwischen religiösen und nicht-religiösen Schülern, aber auch zwischen Muslimen und Anhängern anderer Religionen verhindern.

Ein Schüler jedoch, Yunus M., wollte das Verbot nicht akzeptieren und zog vor den Kadi. Das Berliner Verwaltungsgericht gab ihm zunächst Recht. Die Schule stellte ihm daraufhin ein eigenes Kämmerchen zur Verfügung, um andere Schüler vor dem "werbenden und demonstrativen Charakter" des Gebets zu schützen.

Im Mai 2010 kassierte das Berliner Oberverwaltungsgericht dieses Urteil jedoch wieder. Nun trafen die Beteiligten noch einmal vor Gericht aufeinander - in Leipzig, vor dem höchsten deutschen Verwaltungsgericht. Und dieses gab der Schule Recht. Der mittlerweile 18-jährige Yunus M. darf dort nicht mehr öffentlich das tägliche fünfmalige rituelle Gebet (Salat) verrichten.

In seiner Begründung wies das Bundesverwaltungsgericht auf die spezielle Situation der Schule hin. Dort gebe es Schüler aus 30 Nationen, die fünf Weltreligionen angehörten. Zwar müsse der Staat grundsätzlich wegen der im Grundgesetz garantierten Glaubensfreiheit religiöse Bezüge in Schulen zulassen. Aber am Berliner Diesterweg-Gymnasium hätten die Gebete den Schulfrieden gestört, weil sich andere Schüler an den Gebeten gestoßen hätten.

Das Gericht betonte allerdings auch, dass es sich nicht um eine Grundsatzentscheidung handle. Jede Schule müsse selber überprüfen, "ob es wirklich zur Wahrung des Schulfriedens nötig ist, die Glaubensfreiheit einzuschränken", sagt der Vorsitzende Richter Werner Neumann.

Der Berliner Senat zeigt sich über das Urteil erfreut. "Das ist ein guter Tag für Berlins Schulen, jetzt gibt es in diesem Konflikt Rechtssicherheit," meint die Staatssekretärin der Bildungsverwaltung, Claudia Zinke (SPD). Es sei nun klar, dass Schulen keinen Gebetsraum zur Verfügung stellen müssten. Der Senat und die Schulen wollten aber auf pragmatische Lösungen im Einzelfall achten. Wenn der Schulfrieden nicht gefährdet sei, werde man Schülern auch weiterhin das Gebet ermöglichen.

Der integrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Raed Saleh, schlägt "einen einzigen Raum der Stille oder Einkehr" für alle Religionen vor. Dahin könnten sich alle Schüler zum Gebet zurückziehen. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.12.2011)