Wien - Ein Forscherteam der MedUni Wien hat unter Verwendung einer neuartigen, biochemischen Methode eine unerwartet hohe Häufigkeit für eine bestimmte Gruppe an Stoffwechselerkrankungen bei Neugeborenen, so genannte lysosomale Stoffwechselerkrankungen, entdeckt. Die Ergebnisse einer weltweit erstmalig durchgeführten Studie zeigen, dass jeder 2.300ste Neugeborene davon betroffen ist. In Österreich wären das rund 30 Kinder pro Jahr, teilte die MedUni Wien mit. Die vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Studie wurde jetzt im Fachmagazin "The Lancet" publiziert.

Lysosomen sind wesentliche Bestandteile der Körperzellen. Abzubauende körperfremde und körpereigene Substanzen werden innerhalb der Zelle von den Lysosomen aufgenommen und mit Hilfe von Enzymen verdaut. Im Fall einer Störung dieser Funktion wird der Abbauprozess beeinträchtigt. Es reichern sich zellschädigende Makromoleküle an. Berthold Streubel von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der MedUni Wien: "Das Spektrum an Symptomen, das dadurch verursacht wird, reicht von einem frühkindlichen schweren Krankheitsbild bis zu Spätmanifestationen mit Nieren-, oder Herzversagen bzw. Durchblutungsstörungen im Gehirn."

Neugeborenen-Screening

Im Rahmen des an der MedUni Wien für ganz Österreich durchgeführten Neugeborenen-Screenings wurde ein Jahr lang das Blut der Neugeborenen prospektiv und anonymisiert auf vier lysosomale Stoffwechselerkrankungen (Morbus Fabry, Gaucher, Pompe und Niemann-Pick A/B) untersucht. Dabei wurde mit einem neuartigen biochemischen Test, der von der Arbeitsgruppe von David Kasper entwickelt wurde, eine unerwartet hohe Häufigkeit von 1:2.315 ermittelt: Das Team etablierte ein neuartiges, massenspektrometrisches Verfahren und testete simultan auf die lysosomalen Stoffwechselerkrankungen.

"Da es sich bei den lysosomalen Speichererkrankungen um Erbkrankheiten handelt, besteht die Möglichkeit einer Weitergabe an die nächste Generation", sagt Studienautor Streubel. "Wir können vorausschauend den Gendefekt erkennen, wissen aber nicht, wann und wie stark er ausbricht. Für einige wenige lysosomale Stoffwechselerkrankungen gibt es bereits Therapiemöglichkeiten wie die Enzymersatztherapie oder die Stammzellentransplantation, weitere sind in Entwicklung oder bereits in der klinischen Testphase."

"Dieses Projekt ist ein großer Erfolg. Mit den methodischen Entwicklungen, die nun die simultane Aufdeckung von sechs lysosomalen Speicherkrankheiten aus einem Tropfen Blut ermöglichen, sind wir international im Spitzenfeld", sagt David Kasper von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde und Projekt- und Programmleiter des österreichischen Neugeborenen-Screenings. Seit mehr als 45 Jahren läuft an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien im Auftrag des Gesundheitsministeriums eines der umfangreichsten Neugeborenen-Screening-Programme in Europa. In Wien werden jährlich Proben von 78.000 Neugeborenen mittels neuester Verfahren auf mehr als 30 Krankheiten untersucht. (red)