Samuelsson: "Wir müssen versuchen, die Strafen auf unserer eigenen Seite zu minimieren. Wenn man nicht so viele Strafen bekommt, hat man auch mehr Kraft im eigenen Powerplay."

Foto: derStandard.at/Hirner

"Wir versuchen die ganze Zeit, Spiel für Spiel, Training für Training, Woche für Woche unser Spielsystem zu entwickeln. Wichtig ist, dass man eine Balance hat in seinem Spiel. Über 60 Minuten ist es das Um und Auf, dass man genug Energie hat für die eigene und die gegnerische Mannschaft."

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derStandard.at: Haben Sie sich schon gut eingelebt in Wien?

Tommy Samuelsson: Alles passt perfekt. Die Wohnung, das Umfeld, auch der Familie gefällt es sehr gut hier in Wien. 

derStandard.at: Wie kommen Sie mit der Mentalität des grantelnden, mürrischen Wieners zurecht?

Samuelsson: Na, das sehe ich nicht so. Die Leute hier kann man mit den Schweden vergleichen, alle sind sehr nett und freundlich.

derStandard.at: Sie kennen das schwedische Eishockey wie Ihre Westentasche und sind nun auch schon ein paar Monate in Österreich. Wie sind ihre Eindrücke von Österreichs Eishockey, auch im Vergleich zur schwedischen "Elitserien"?

Samuelsson: Ich bin überrascht, wie hoch das Niveau in der Liga und auch bei individuellen Spielern ist. Fast jede Mannschaft hat vier Linien, die das Spiel entscheiden können. Das kann man direkt mit Schweden vergleichen.

derStandard.at: Wenn man das Training beobachtet, dann sieht man schnelle Kombinationen, Lauf-, Spiel- und Schusstraining. Läuft das Training in etwa immer so ab?

Samuelsson: Das Thema des Trainings war heute Lunge und Ausdauer. Die zwei Tage vor dem Spiel gegen Salzburg werden wir uns vermehrt auf den Gegner fokussieren. Da werden dann mehr spielerische Schwerpunkte gesetzt. Heute standen Laufen und Kämpfen im Vordergrund.

derStandard.at: Bereitet man sich speziell auf den nächsten Gegner vor?

Samuelsson: Oft ist das so, aber wir konzentrieren uns meist auf unsere eigenen Aufgaben, damit wir dies dann im Spiel umsetzen können.

derStandard.at: Durch den Ausbau der Schultzhalle mit einer zusätzlichen Halle erwartet man sich verbesserte Trainings-Bedingungen, unter anderem auch für den Nachwuchs. Haben Sie persönlich Kontakt zu den Nachwuchs-Abteilungen?

Samuelsson: Ich verfolge die Spiele der Silver-Caps immer, wenn ich Zeit habe. Sie spielen in Halle drei. Die Kooperation funktioniert optimal. Wenn uns ein Spieler fehlt, dann probieren wir immer einen vom Nachwuchs hinzuzunehmen. Auch der Head-Coach der Silver-Caps, Philippe Horsky, ist dann jeden Tag bei unseren Trainings dabei.

derStandard.at: Haben sich schon Spieler aufgedrängt, die Sie in näherer Zukunft in das Team integrieren könnten?

Samuelsson: Man muss Geduld haben mit dem Nachwuchs. Die Silver-Caps sind im Moment ein sehr junges Farm-Team und es wird sehr gut gearbeitet. In der Entwicklung eines jungen Spielers geht es ständig bergauf und bergab. Ist ein Spieler einmal in guter Form, dann versuchen wir ihm eine Chance zu geben, indem wir ihn in den Kader aufnehmen für ein, zwei Spiele. Es ist immens wichtig, dass es für diese jungen Spieler ein Ziel, eine Chance gibt, nach oben zu kommen, wenn sie sich entwickeln und gute Leistungen bringen.

derStandard.at: Würden Sie es bevorzugen, wenn die Capitals in einer großen Liga mit den besten europäischen Vereinen spielen würden, oder finden Sie die aktuelle Liga sinnvoller?

Samuelsson: Man weiß noch nicht, was passieren wird in Europa, ob und wann eine solche europäische Liga geschaffen wird, aber es ist wichtig, dass man in den Startblocks steht, bereit ist. Wir haben heuer in der Preseason bei der European Trophy mitgespielt. Diese Spiele sind für die Entwicklung der Spieler sehr wichtig, nicht nur für die Mannschaft und die Organisation. Es ist so wichtig, dass man sich messen kann an diesem Niveau, das noch eine Stufe höher liegt.

derStandard.at: Die Leistungen der Caps bei der European Trophy waren zum Teil erstaunlich. Ihr Eindruck?

Samuelsson: Wir haben ein paar sehr gute Spiele abgeliefert und den finnischen Meister oben in Finnland geschlagen. Das war ein sehr großer Erfolg für meine Mannschaft.

derStandard.at: Verfolgen Sie eine bestimmte Spielphilosophie oder hängt die Spielweise vom Gegner ab und ändert sich dementsprechend?

Samuelsson: Wir versuchen die ganze Zeit, Spiel für Spiel, Training für Training, Woche für Woche unser Spielsystem zu entwickeln. Wichtig ist, dass man eine Balance hat in seinem Spiel. Über 60 Minuten ist es das Um und Auf, dass man genug  Energie hat für die eigene und die gegnerische Mannschaft. Wenn man volle Energie hat, dann ist es kein Problem attraktiv und offensiv zu spielen. Wenn aber diese Minuten kommen, in denen man den Gegner mit Offensivspiel nicht mehr kontrollieren kann, dann muss man auch diese Situationen mit gutem Stellungsspiel meistern.

derStandard.at: Zuletzt gab es ein 4:1 gegen Znaim, die Caps waren die spielbestimmende Mannschaft und haben verdient gewonnen. Sind Sie mit der momentanen Verfassung des Teams zufrieden?

Samuelsson: Letzte Woche hatten wir viele schwierige Spiele. Wir haben Villach zu Hause 2:1 geschlagen, haben nach Penalty-Shootout 3:2 in Graz gewonnen, leider 2:3 nach Penaltys in Jesenice verloren, dann gegen Znaim zu Hause gewonnen. Das waren knappe Partien, unser Ziel waren acht Punkte, wir haben sieben gemacht. Aber wenn man sieht, wie knapp die Resultate in jedem Spiel waren, dann muss man zufrieden sein. Was wir im Moment brauchen, ist, dass wir einige Spieler zurückbekommen, damit wir mehr Tiefe haben im Team. Marcel Rodman, Philipp Pinter und Taylor Holst waren zuletzt weg, ich hoffe aber, dass wir diese Woche noch ein, zwei Spieler zurückbekommen.

derStandard.at: Wie steht es um Marcel Rodman?

Samuelsson: Er trainiert im Moment überhaupt nicht, aber ich hoffe, dass er bald zurückkommt. Holst trainiert seit zwei Tagen, er ist sicherlich fit für Freitag und Pinter wird es hoffentlich morgen probieren können, damit er auch am Freitag fit ist.

derStandard.at: Gibt es einen Bereich, mit dem Sie nicht so zufrieden sind? Wo orten Sie die größeren Baustellen, in der Offensive oder der Defensive?

Samuelsson: Wir haben uns in der Verteidigung weiterentwickelt und verbessert. Wir kriegen nicht mehr so viele Gegentore, halten im Moment, wenn man die letzten sechs bis acht Spiele heranzieht, bei einem Durchschnitt von zwei Gegentreffern. Ein Schlüsselpunkt dafür ist unser Penalty-Killing, in dem wir uns stark verbessert haben. Was wir noch verbessern müssen, wo wir eine große Steigerung machen können, ist das Powerplay. Ich hoffe, das kommt in den nächsten Partien noch vor der Weihnachtspause.

derStandard.at: Kann man sich durch Trainieren von Powerplay-Situationen gezielt verbessern oder benötigt man hierzu einfach mehr Spielpraxis?

Samuelsson: Wir üben das fast in jedem Training und fokussieren auf die Kleinigkeiten, die entscheidend sind im Powerplay. Wichtig ist, dass man viel schießt und für viel Verkehr vor dem Tor sorgt, weil dann gelingen auch die einfachen Tore im Powerplay.

derStandard.at: Welche Teams werden Ihrer Ansicht nach um den Titel kämpfen beziehungsweise wen schätzen Sie besonders hoch ein? 

Samuelsson: Die Linzer imponieren mir sehr. Sie haben 19 Spiele gewonnen in einer Liga, wo fast jeder jeden schlagen kann. Sie sind sehr stark im Moment und werden sicher auch am Schluss ein kräftiges Wort um den Titel mitreden, aber die wichtigen Partien kommen erst später.

derStandard.at: Am Freitag stehen die Bullen am Programm. Die letzte Begegnung mit Salzburg ging 1:5 verloren. Wie lautet Ihre Strategie für das kommende Duell?

Samuelsson: Das Entscheidende bei solchen Spielen, egal ob zu Hause oder auswärts, ist das Powerplay und das Penalty-Killing. Wir müssen versuchen, die Strafen auf unserer eigenen Seite zu minimieren. Wenn man nicht so viele Strafen bekommt, hat man auch mehr Kraft im eigenen Powerplay. Im Spiel fünf gegen fünf gibt es nicht so große Unterschiede, vielmehr kommt es auf die Special Teams (Anm.: Teams für besondere Spielsituationen wie Powerplay) an.

derStandard.at: Wie geht man dieses Problem an? Spricht man mit den Spielern, fordert man mehr Disziplin?

Samuelsson: Sicher. Das Problem ist das unnötige Haken und die Strafen in der Offensive. Wenn wir drei bis vier solcher Situationen vermeiden können, dann haben wir auch mehr Kraft für unser Spiel und unser Powerplay. Und das ist ein Schlüssel für das Spiel in Salzburg unten. Unten oder oben? (lacht)

derStandard.at: Streng genommen sagt man oben, man könnte aber wohl auch draußen sagen. (beide lachen). Verfolgen Sie auch die Spiele der österreichischen Nationalmannschaft?

Samuelsson: Ja, wir hatten einige Spieler beim letzten Turnier dabei. Mario Fischer, Daniel Nageler und Martin Oraze. Ich hoffe, dass der Eine oder Andere beim Turnier in Klagenfurt zusätzlich dabei sein wird. Es ist wichtig für die jungen Spieler, sich am internationalen Niveau messen zu können. Das gibt viel Energie und man sieht, wo man mit seiner eigenen Leistung steht.

derStandard.at: Was bräuchte es, damit Österreichs Hockey sich in der Top-Gruppe festsetzen kann und nicht ständig zwischen A und B pendeln muss?

Samuelsson: Dafür habe ich leider keine Antwort. Was ich jetzt sehe und verstehe, ist, dass Manny Viveiros einen Neuaufbau machen will mit neuen Spielern. Das finde ich interessant, das ist der richtige Schritt, weil es sehr viele interessante junge Spieler gibt in Österreich. Man muss versuchen, Geduld zu haben und dass man über längere Zeit Stabilität in die Mannschaft hineinbekommt. Wichtig ist, dass man eine gute Mannschaft mit neuen, jungen Stammspielern aufbaut, die das Gefühl haben, wichtig zu sein für das Team.

derStandard.at: Gibt es genug Qualität im österreichischen Nachwuchs?

Samuelsson: Es gibt viele talentierte Spieler, aber man braucht auch die Möglichkeit, sich mit den Besten zu messen. Dazu reichen ein, zwei Turniere nicht aus. Wenn wir von Stabilität sprechen, dann sprechen wir über einen Zeitraum von drei, vier Jahren.

derStandard.at: Was wünschen Sie sich zu Weihnachten? 

Samuelsson: Gutes Essen und ein paar schöne Geschenke. (lacht).

derStandard.at: Und was darf es für die Capitals sein?

Samuelsson: Ich hoffe, wir kriegen in jedem Spiel bis Weihnachten Punkte.

derStandard.at: Was wird in Schweden zu Weihnachten traditionell serviert? Karpfen?

Samuelsson: Viel Schinken, viel Lachs, Sill, (Anm.: Hering) und Schnaps. (derStandard.at, Dienstag, 29. November 2011)