Wien - Matthias Vogl macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Ganz offensichtlich ist der neue Leiter der Abteilung für Legistik im Innenministerium gerne Beamter unter einer schwarz-blauen Regierung. Und mit sympathischer Offenheit sagt der Verantwortliche für die umstrittene Asylgesetznovelle auch, dass das Fremdenrecht nicht sein Spezialgebiet sei und dass es "kompliziert ist".

Das hat Nachteile, gewiss. Zum Beispiel scheint sich Vogl über die Unternehmenskultur des Bundesasylamtes - jener Behörde erster Instanz also, deren Rolle sein Entwurf stark aufwertet - noch nicht ganz im Klaren zu sein.

Verfahrensmängel

Aber es hat auch seine Vorteile: Wenn man ihm aus der Praxis des Asylamtes ein paar gruselige Alltäglichkeiten erzählt, lässt er den von Beamten seines Hauses sonst gewohnten Beißreflex vermissen; und qualifiziert es, wenn etwa dem Asylwerber das Einvernahmeprotokoll nicht oder nicht zureichend rückübersetzt wird, mit deutlichen Worten als "ganz schweren Verfahrensmangel". Verfahrensmängel sind nach seinem Entwurf einer der wenigen Gründe, aus denen ein Asylwerber auch in Zukunft noch in zweiter Instanz Tatsachen vorbringen darf, die vorher keinen Eingang ins Verfahren gefunden haben.

Vogl spricht ebenso deutlich vom Ziel, "die Qualität der ersten Instanz stark zu verbessern", namentlich durch Schulungen. Ein großes Anliegen ist es Vogl, dafür zu sorgen, dass durch die Beschleunigung des Verfahrens nicht etwa traumatisierte Flüchtlinge zu Schaden kommen, die ja viel Zeit brauchen, bis sie fähig sind, von ihren Erlebnissen zu erzählen. Vogl hat selbst einen Bekannten, der als Folteropfer aus Iran geflüchtet ist.

Beweise für Trauma

An Verbesserungen seines Entwurfs im Interesse asylwürdiger Flüchtlinge zeigt sich Vogl lebhaft interessiert; beim Standard-Gespräch macht er sich nicht weniger Notizen als der Interviewer:

Im neu eingeführten Vorverfahren, das über die Zulassung zum eigentlichen Asylverfahren entscheidet, soll diese Zulassung laut Entwurf sofort ausgesprochen werden, wenn "medizinisch belegbare Tatsachen" auf Traumatisierung oder Folter hindeuten. Einwand: Medizinisch belegbare Tatsachen können in einem Schnellverfahren nie und nimmer ans Licht kommen. Vogl: "Da haben Sie Recht, das müssen wir uns anschauen. Das Ziel ist es, schon beim Verdacht auf Traumatisierung das reguläre Verfahren zu eröffnen."

Eine Woche schutzlos

Bei als "offensichtlich unbegründet" eingestuften Anträgen soll die Abschiebung schon erfolgen dürfen, während das Berufungsverfahren noch läuft - vor Eintritt der Rechtskraft also. Ausnahme: wenn die zweite Instanz der Berufung aufschiebende Wirkung zuerkennt, wofür sie eine Woche Zeit hat. Während dieser Woche freilich ist der Flüchtling laut Entwurf schutzlos. Abermals greift Vogl zum Kuli: "Wir sind davon ausgegangen, dass in dieser Zeit nicht abgeschoben wird. Das müssen wir noch festschreiben."

Die Rechtsberater der NGOs befürchten, dass eine Bestimmung, die das unbefugte Betreten von Flüchtlingsunterkünften unter Strafe stellt, sich gegen sie richten könnte. Vogl: "Dass die NGOs hineindürfen, muss klar sein. Gemeint sind zum Beispiel Drogendealer."

Beratungsstellen

Weitere Sorge der NGOs: Das Aufsuchen einer Beratungsstelle könnte als "ungerechtfertigte Entfernung" aus der Erstaufnahmestelle gelten, wofür man künftig in Schubhaft genommen werden kann. Vogl verneint energisch: Nur zu den Einvernahmeterminen müssten die Asylwerber unter allen Umständen anwesend sein, sonst könnten sie sich entfernen, wohin sie wollen.

Hingegen verteidigt Vogl, dass zur Beurteilung, welcher Staat als sicherer Drittstaat (in den der Flüchtling zurückgeschoben werden darf) gilt, nur dessen Rechtslage herangezogen wird, nicht aber die geübte Praxis.

Dass die Novelle unabhängige Rechtsberater zur Kontrolle des Asylamtes ins Verfahren einbindet, sollte diesbezüglich laut Vogl ausreichenden Schutz bieten. Und die Liste jener Staaten, die in Zukunft von Gesetzes wegen als sicher gelten (einschließlich sämtlicher EU-Erweiterungsstaaten), steht für ihn außer jeder Diskussion: ist sie doch im Koalitionsabkommen vorgesehen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.6.2003)