Wien - Die größte Gefahr für Bosnien-Herzegowina sei die bevorstehende Wirtschaftskrise. Davor warnte der internationale Bosnien-Beauftragte Paddy Ashdown heute, Mittwoch, in seiner Rede vor dem Ständigen Rat der OSZE in Wien. Das Land habe viele Nachkriegsprobleme bewältigt und befinde sich nun vor der Transition. "Ich glaube, dass die Zeit der ethnischen Konflikte vorbei ist und dass ethnisch motivierte Konflikte nicht mehr möglich sind. Aber die bevorstehende Wirtschaftskrise könnte den Friedensprozess in Bosnien-Herzegowina gefährden", warnte der Brite.

Die internationale Gemeinschaft rief Ashdown zu mehr Geduld auf. "Ein Verlust an Geduld seitens der internationalen Gemeinschaft ist sehr gefährlich, weil dies die Bevölkerung entmutigt." Auch eine Verringerung der finanziellen Hilfe würde negative Folgen haben. Bosnien könne nicht mit westlichen Staaten, sondern müsse eher mit der Situation in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg verglichen werden.

"Rasche und schmerzhafte Reformen"

Bosnien müsse nun "rasche und schmerzhafte Reformen" durchführen, um in den nächsten beiden Jahren eine exportorientierte Wirtschaft zu errichten. In den vergangenen 150 Tagen seien bereits 50 Reformen durchgeführt worden. Nun stehe die Harmonisierung des Zoll- und des Steuersystems zwischen den beiden Gebietseinheiten (Bosniakisch-kroatische Föderation und Republika Srpska) an. Damit könne auch die Wirtschaftskriminalität verhindert werden, betonte Ashdown. Von großer Bedeutung seien vor allem ausländische Investitionen, fügte er hinzu.

In Bosnien gebe es zwei Prioritäten: Neben der Verbesserung der wirtschaftlichen Möglichkeiten, hier insbesondere die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die Stärkung des Rechtsstaates. Im Bereich der Justiz seien bereits Institutionen für den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität geschaffen worden. Nun könnten Kriminelle, die den Friedensprozess "zu lange obstruiert und die Bevölkerung terrorisiert" haben, beseitigt werden.

Europäische Integration

Ashdown wies auch auf den enormen Verwaltungsapparat in Bosnien hin. "Die Löhne und Pensionen sind niedrig, weil ein zu großer Staatsapparat finanziert wird". Etwa 60 Prozent des Budgets würden für die Finanzierung dieser Strukturen verwendet. Die Reduzierung des staatlichen Apparats müsse jedenfalls von der Bevölkerung mitgetragen werden.

Vom bevorstehenden EU-Gipfel am 20. Juni in Saloniki erwarte er sich vor allem eine klare Botschaft der EU, alles für die raschere europäische Integration des westlichen Balkans zu tun. Zudem müsse Brüssel klar stellen, die finanzielle Hilfe zu erhöhen oder zumindest nicht zu kürzen, weil jede Kürzung eine Krise hervorrufen könnte. Weiters hoffe er auf die Unterstützung jener Länder, die die Transition bereits hinter sich haben. Diese Erfahrungen könnten allen Balkanstaaten in der Übergangsphase sehr helfen.

Schließlich müsste beim Gipfel auch das Visa-System zur Sprache kommen. Es sei sehr schwer über europäische Werte zu sprechen, wenn zum Beispiel bosnische Bürger wegen der Beschränkungen nicht die Möglichkeit haben, durch Europa zu reisen. Sein Ziel sei es jedenfalls, das Bosnien so rasch als möglich Kandidat für die EU-Mitgliedschaft wird, sagte Ashdown.(APA)