Zuerst Lipobay, jetzt HIV-verseuchte Medikamente: Bayer kommt nicht zur Ruhe

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Leverkusen/San Francisco - Zwei Jahre nach dem Lipobay-Debakel rollt eine neue Klagewelle auf den Chemie- und Pharmakonzern Bayer zu: Eine US-Anwaltskanzlei reichte vor einem US-Bezirksgericht in Kalifornien wegen des Vertriebs HIV-infizierter Blutpräparate eine Sammelklage gegen Bayer und andere Hersteller ein. Unter den Klägern sind nach Angaben der Anwälte auch deutsche Bluterkranke, die in den 80er Jahren durch Gerinnungspräparate wie Faktor VIII mit HIV oder Hepatitis C infiziert wurden.

"Tausende von Blutern sind vermeidbar an AIDS gestorben und viele weitere Tausende sind mit HIV oder Hepatitis C infiziert. Dies ist eine weltweite Tragödie", begründete der Anwalt Robert Nelson in einer in San Francisco veröffentlichten Erklärung die Klage.

Der deutsche Konzern will sich entschieden gegen eine Sammelklage wehren und hat die Vorwürfe zurückgewiesen. "Das Unternehmen wird die Klage prüfen und sich entschieden dagegen verteidigen", teilte der Chemie- und Pharmakonzern am Dienstag mit. Als die mit dem Aids-Virus verkauften Blutprodukte verkauft worden seien, sei der Virus noch nicht durch Tests nachzuweisen gewesen.

Konzerne sollen "Verantwortung übernehmen"

Die Klage richtet sich gegen die Bayer Corporation und ihre Sparte Cutter Biological, sowie die Mitbewerber Baxter Healthcare, Armour Pharmaceutical oder Alpha Therapeutic. Die US-Konzerne, die kontaminierte Produkte hergestellt hätten, müssten "ihre Verantwortung gegenüber den Blutern in aller Welt und ihren Familien anerkennen", heißt es in der Erklärung der Anwaltskanzlei. Die Kläger kommen nach Angaben der Anwälte aus Deutschland, Großbritannien und Italien. Alle seien durch die Gerinnungspräparate der US-Hersteller mit HIV oder Hepatitis infiziert worden.

In ihrer Klageschrift werfen die Anwälte Bayer und den anderen Unternehmen vor, zur Herstellung von Blutpräparaten wissentlich Blut von Spendern gekauft zu haben, die aus den Bevölkerungsgruppen mit dem höchsten Risiko stammten, darunter Häftlinge und Drogenabhängige. Außerdem hätten die Unternehmen gegenüber staatlichen Stellen und Ärzten die Gefahren der Gerinnungspräparate heruntergespielt und einen Rückruf der Präparate umgangen.

Einigung bereits 1997

Bereits 1997 hatten sich Bayer und mehrere andere Hersteller von Blutpräparaten in den USA mit 6.000 HIV-infizierten Blutern und ihren Angehörigen in einem Vergleich auf eine Entschädigung in Höhe von 600 Mio. Dollar geeinigt. Die neue Klage konzentriert sich deshalb ausschließlich auf Bluter oder deren Hinterbliebene mit Wohnsitz außerhalb der Vereinigten Staaten.

Bereits vor zwei Wochen hatte die "New York Times" Bayer vorgeworfen, über das US-Tochterunternehmen Cutter Mitte der 80er Jahre noch große Mengen eines Bluterpräparates nach Asien und Lateinamerika verkauft zu haben, obwohl ein hohes Risiko einer Aids-Infektion bestand. Zum gleichen Zeitpunkt sei in den USA und Europa bereits ein sichereres Medikament vertrieben worden. Allein in Hongkong und Taiwan seien mehr als 100 Bluter nach Anwendung des Medikaments an HIV erkrankt, berichtete die Zeitung. Bayer hatte die Vorwürfe damals entschieden zurückgewiesen. Ein Sprecher sagte: "Wir haben zu jeder Zeit verantwortlich gehandelt."

Anfang der 80er Jahre war es zu zahlreichen HIV-Erkrankungen von Bluterkranken durch die ihnen verabreichten Gerinnungspräparate gekommen, weil die Medikamente durch HIV-infizierte Blutspender verseucht worden waren. 1984 brachten die Hersteller deshalb zunächst in den USA und dann auch in Europa neue hitzebehandelte Produkte auf den Markt, die das Infektionsrisiko drastisch reduzierten.(APA/AP)