Die wahren Helden sind bekanntlich jene, die auch und gerade den Alltag packen. Glänzen kann bald einer, wobei Werner Schlagers Glanz schon ein außergewöhnlich glänzender war. Ein 30-jähriger Niederösterreicher aus Willendorf wird nämlich selten Weltmeister im Tischtennis. Schließlich gibt es mehr als eine Milliarde Chinesen.

Schlager hat kurz nach jenem Ereignis am 25. Mai, konkret: in der Nacht auf den 3. Juni, mit dem SVS Niederösterreich die österreichische Mannschaftsmeisterschaft gegen Innsbruck gewonnen. Paris war Wolkersdorf, das Palais Omnisport eine Turnhalle. Die Zahl der Zuschauer schrumpfte von 12.400 auf 235. Wären Menschen nur Aktien, hätte es sich wohl um den größten Börsencrash aller Zeiten gehandelt. Schlager siegte dreimal. "Es war meine Pflicht." Seine schwere Adduktorenzerrung erwähnte er nicht, er hatte sie einfach.

Nach dem 25. Mai war Stress. Ein Termin überholte den übernächsten, Schlager wurde gereicht, geehrt, beschenkt, befragt, gezeigt, sogar fürs Feuilleton entdeckt. "Am Anfang hat es genervt - schön langsam macht es aber Spaß. Die über mich geschriebenen Dinge stimmten. Ich habe mich als Mensch und Spitzensportler wiedererkannt." Vater Rudolf war tatsächlich sein Entdecker und erster Trainer; die brüchige Platte stand droben am Dachboden; er tüftelt an Computern; wirkt im Spiel arrogant, ist es im Leben aber nicht. Und in China genießt der Zeitsoldat größten Respekt. Schon lange vor dem 25. Mai. "Stimmt alles. Die Goldene war keine Sensation, ich bin ja schon seit Jahren mittendrin in der Weltspitze. Das war keine Eintagsfliege."

Schlager hält sich für unverderblich. "Weil ich mit beiden Beinen am Boden stehe. Und weil ich auf den Erfolg vorbereitet war." Sollten sich falsche Freunde bei ihm melden, hätten diese Pech gehabt. "Weil ich sie erkennen würde." Er wollte zwar nie ein öffentlicher Mann sein, jetzt ist er ein bisserl einer - auch egal. "Ich werde nicht zum Adabei mutieren. Meine Welt sind die Sportseiten, nicht die Klatschspalten. Wobei man sich nicht ganz abschotten kann - das Verhältnis muss passen."

Schlager ging selten Kompromisse ein. Vermutlich ist er der einzige österreichische Sportler, der je eine Einladung in die Sendung der Vera Russwurm ausgeschlagen hat. "Damals war ich noch viel unbekannter. Es hätte meinem Sport nix gebracht. Jetzt habe ich sogar den Luxus, noch wählerischer und kritischer sein zu können."

Ein paar Sponsoren hätten angefragt, Schlager (bisheriges Monatseinkommen: rund 5000 Euro) wird sondieren. "Produkte müssen mir zusagen. Ich mache lieber nichts als alles." Der Weltmeister wird etwas tun. "Geld spielt in unserem Kulturkreis eine Rolle." Manchmal in Paris, stets in Willen- oder Wolkersdorf. (DER STANDARD, PRINTAUSGABE 4.6. 2003)