Banane oder Streik: dem Juristen Jacke wie Hose.

montage: derstandard.at
Der Wiener VP-Seniorenbund will die Ergebnisse des aktuellen Juristenstreits über die korrekte Auslegung der Menschenrechtskonvention, Vereinsfreiheit, Europäischer Sozialcharta sowie des Völkerrechts nicht abwarten und klagt die Wiener Linien auf Vertragsbruch. Seniorenbund-Landesgeschäftsführer Anton Fürst sagte zum STANDARD: "Wir haben absolut kein Verständnis für diesen rein politischen Streik. Rund 80.000 Pensionisten in Wien müssen heute trotz ihrer Jahresnetzkarte zu Fuß gehen."

Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung prüfen die Möglichkeiten einer Schadenersatzklage direkt gegen den Gewerkschaftsbund und rechnen sich gute Chancen aus. Zurückgegriffen wird dabei auf einen Präzedenzfall aus dem Sommer 1960, als beim Wiener Südbahnhof etliche Obstkisten samt Inhalt stehen blieben, weil die Ablademannschaft streikte.

Ein Blick zurück

Im damaligen "Bananenfall" entschied der Oberste Gerichtshof: "Hat ein Organ der Gewerkschaft die Zustimmung zur Verhinderung der Ausladung verderblicher Waren, somit zu einem rechtswidrigen Vorgehen, erteilt, so wird die Gewerkschaft gemäß § 1301 ABGB schadenersatzpflichtig."

Der springende Punkt ist jedoch, und dies soll nun in einem Musterprozess geklärt werden, ob die besagte "Zustimmung" des ÖGB zu einem Streik bloß passiv - wie im Jahre 1960 durch Duldung - erfolgte, oder aktiv als Aufruf zum Streik samt all seinen Folgen geschieht. Nebst anderen hat die Wirtschaftskammer Salzburg entsprechende Klagsschritte angekündigt.

Thema Lohnfortzahlung umstritten

Ähnlich umstritten und nicht ausjudiziert sind derzeit die Fragen nach der Lohnfortzahlung und möglichen Entlassungen von Streikenden. Die Arbeitnehmer pochen in all diesen Punkten auf ihr Recht auf einen "Abwehrstreik". Die Arbeitgeber sprechen von einem "politischen Streik", der auf Betriebsebene zur Verletzung von aufrechten Arbeitsverträgen führe.

Daher sei auch klar, so Harald Kaszanits Sozialpolitiker der Wirtschaftskammer, dass es Lohnfortzahlungen nur bei entschuldigtem Fernbleiben vom Arbeitsplatz wie im Krankheitsfall gebe. Wer aktiv im Betrieb die Arbeit niederlege oder unentschuldigt fernbleibe, bekomme keinen Lohn und müsse "grundsätzlich" auch mit Entlassung rechnen. Juristen bezweifeln allerdings, dass das Arbeitsgericht dem Entlassungsgrund "schwere Verfehlung des Arbeitnehmers" aufgrund des Streiks nachgeben würde. Sie sehen gute Anfechtungsmöglichkeiten, sollten wirklich Entlassungen oder Kündigungen (ohne Angabe von Gründen) ausgesprochen werden.

Post will aktiv werden

Auch die Post AG prüft derzeit rechtliche Schritte gegen den ÖGB wegen des wirtschaftlichen Schadens, der dem Unternehmen mit dem morgigen Streik gegen die geplante Pensionsreform der Regierung entstehe: "Wir prüfen derzeit eine Klage gegen den ÖGB", sagte Post-Sprecher Michael Homola am Montag. Das mögliche Ausmaß des wirtschaftlichen Schadens lasse sich heute aber noch nicht beziffern.

Zusätzliche Kosten würden der Post vor allem durch Überstunden und Sonderschichten von Mitarbeitern entstehen, die auf Grund der geplanten Streiks in den Verteilzentren, bei der Güterbeförderung, bei Zustellbasen und in Aufgabepostämtern notwendig würden, so Homola. In jenen Zustellbasen, die bestreikt werden, werde es morgen "sicher keine Zustellung geben". Durch die Streiks in den Verteilzentren werde es ab Mittwoch Verzögerungen in der Zustellung geben. Betroffen davon seien alle Briefe, Pakete und Postsendungen, während die Tageszeitungen von den Streiks unberührt bleiben sollten. Die "Aufarbeitung" des liegen gebliebenen Materials werde etwa "ein bis zwei Tage" in Anspruch nehmen.(APA/Michael Bachner, DER STANDARD Print-Ausgabe, 3.6.2003)