"Diese Marktverwerfungen dürfen nicht lange anhalten, weil sie sonst die Finanzierung von Staaten vollends gefährden."

Foto: Schroders

Die EZB wird die Eurozone nicht im Alleingang retten, glaubt Schroders-Ökonom Keith Wade. Warum Staatsanleihenkäufe in den USA und Europa nicht dasselbe sind und wie Anleger reagieren können, sagte er Lukas Sustala.

STANDARD: Abseits von Deutschland werden die Rufe nach der Europäischen Zentralbank als Krisenfeuerwehr laut. Wäre das eine Lösung für das Schuldendilemma?

Wade: Es wäre eine Lösung. Wenn die EZB Anleihen im großen Stil kaufen würde, wüssten alle im Anleihenmarkt, dass es einen Käufer gibt, der unlimitierte Gelder hat. Die Zinsen könnten ohne weiteres drastisch fallen. Ich glaube nur nicht, dass es diese Lösung geben wird.

STANDARD: Warum soll es die massiven Staatsanleihenkäufe (Quantitative Easing, QE) im Gegensatz zu den USA nicht geben?

Wade: Der große Unterschied zwischen QE in den USA und England und jenem der EZB ist, dass die EZB auf ihrer Bilanz griechische, italienische und portugiesische Anleihen haben wird. Diese können immer noch ausfallen. Hingegen halten Fed und Bank of England ausschließlich Staatsanleihen ihrer jeweiligen Finanzministerien. Die beiden Zentralbanken wissen, dass sie ihr Geld für die Anleihen immer zurückbekommen werden. Das weiß die EZB nicht. Die EZB könnte technisch Pleite gehen. Dazu kommt, dass QE keine langfristige Lösung ist. Die ganzen Mechanismen, die das Problem geschaffen haben, werden durch Anleihenkäufe der EZB nicht gelöst. Deshalb sollte der europäische Rettungsfonds weiter forciert werden, mit einer steigenden Bedeutung des Internationalen Währungsfonds.

STANDARD: Wäre die Fiskalunion denn eine Lösung?

Wade: Die Fiskalunion ist die Lösung, ja. Das Problem mit der Eurozone ist aber, dass die Abfolge der Ereignisse in Europa falsch war. Zuerst besteht eine fiskalische Union, die gemeinsame Währung ist dann nur der letzte Schritt. In Europa war es umgekehrt. Erfolgreiche Währungsunionen wie die USA oder Großbritannien akzeptieren, dass es reiche und arme Teile im Land gibt und einen damit verbundenen Transfer. Das Problem heute ist, dass es zu lange dauern könnte, bis man eine Fiskalunion aufgebaut hat. Es braucht eine politische Einigung, die das Europäische Parlament stärkt, und die Mechanismen, etwa ein Budget.

STANDARD: Aber das passt nicht zusammen. Die Entwicklung an den Märkten wird doch immer rasanter, nicht langsamer.

Wade: Die Risikoaversion hat sich tatsächlich schnell ausgeweitet. Die Aufschläge steigen auch in Holland oder Österreich, beides Länder, die nicht Pleite gehen. Sie werden auch niemals den Euro verlassen. Aber die Irrationalität hat sich massiv verstärkt. Jetzt muss die Politik aufpassen, dass diese Marktverwerfung nicht lange anhalten dürfen, weil sie sonst die Finanzierung von Staaten vollends gefährden.

STANDARD: Das trifft gerade auf Spanien und Italien zu, die über sieben Prozent Zinsen zahlen müssen. Ist das gerechtfertigt?

Wade: Wenn man die Fundamentaldaten von den USA oder Großbritannien etwa mit Spanien vergleicht, sieht das Land in vielen Punkten besser aus. Aber die Investoren wissen, dass die Federal Reserve und die Bank of England Geld drucken und damit die Zinsen senken können. Das kann die Bank of Spain nicht. Spanien und Italien mögen souveräne Staaten sein, aber sie sind nicht souverän, was ihre Finanzen betrifft. Sie können kein Geld drucken.

STANDARD: Welche Schlüsse lassen sich daraus für die Anlage ziehen?

Wade: Unsere Strategie ist es, die Peripherie-Anleihen komplett zu meiden. Wenn wir Euro-Anleihen halten, dann in Kerneuropa, etwa in Deutschland. Vielleicht sogar ausschließlich in Deutschland. Im Aktienbereich ist es anders. Die Aktien preisen schon viele schlechte Nachrichten ein. Man darf Aktien aus Europa nicht vollends ignorieren, es gibt dort einige Möglichkeiten, denn viele europäische Unternehmen sind global aufgestellt. Es gibt viele Unternehmen, die es auch nach einem Zusammenbruch des Euro geben würde.

STANDARD: Sollte man den Euro jetzt verkaufen?

Wade: Ich bin überrascht, dass der Euro nicht bereits schwächer notiert. Aber Anleger sollten ihre Währungspositionen diversifizieren, etwa US-Dollar kaufen, asiatische Währungen oder die nordischen, also Norwegen und Schweden. Ein weiterer Hedge bleibt in dieser Situation natürlich Gold. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.11.2011)