Molières zweifelhafte Glückssucher am Vorarlberger Landestheater in der Regie von Steffen Jäger.

Foto: Anja Koehler/andereart.de

Bregenz - List, Tücke, Heuchelei und Verblendung sind die großen Themen von Molieres Tartuffe. Und: Die auffallend junge Schauspieltruppe rund um Regisseur Steffen Jäger (Jahrgang 1983) ringt dem Stück eine tiefere Bedeutungsebene ab und unterstreicht dessen Aktualität. Für Jäger ist das Stück nur oberflächlich eine Komödie, eher stehen Verführung und Verführbarkeit als grundlegende Eigenschaft im Zentrum.

Im 17. Jahrhundert demaskierte Molière mit seinem Theaterstück die fromme Heuchelei des Bürgertums. Humorvoll und boulevardesk erscheint die Handlung rund um den Bürger Orgon, der dem Betrüger Tartuffe auf den Leim geht. Tartuffe ist ein charismatischer Schwindler. Sein Gewand glitzert, goldene Kreuze hängen schwer um seinen Nacken, und während er Rosenblätter aus seinem Ärmel streut, redet er von den Armen, denen er jetzt helfen gehe. Er heuchelt Frömmigkeit und schleicht sich so in das Haus des Orgon ein, der ihm vertraut.

Die eigentlich unsympathische Figur des Tartuffe, leidenschaftlich dargestellt von Nikolaus Barton, wird in seinem Ringen nach einem Stück vom Glück erst so richtig verständlich. Wie sehr Menschen sich verführen und an der Nase herumführen lassen, wie viel passieren muss, damit sie aufwachen - das zeigt besonders die Figur des Orgon, kraftvoll gespielt von Lukas Kientzler.

Das Bühnenbild glänzt wortwörtlich: Es besteht aus einer riesigen Goldwand ohne Mobiliar, stattdessen haufenweise Polster am Boden. Auf diesen Polstern pikante Szenen: Viel nackte Haut und vulgäres Begehren findet sich im nach außen hin so noblen Bürgerhaus des Orgon. Tragische Geschichten kommen zum Vorschein: Lug, Heuchelei, Verführung und Verblendung. Sein und Schein werden durch das spannende Spiel mit Masken thematisiert. Beinahe steht der völlige Ruin einer ganzen Familie ins Haus. Wobei schlussendlich - in Zeiten von Selfempowerment, Bürgerbeteiligung und Volksrevolutionen folgerichtig - auch nicht der König (wie zu Molières Zeit), sondern das Volk über den Schwindler Tartuffe richtet. Jägers Tartuffe ist ein gelungenes Stück mit jugendlichem Charme. (Raffaela Rudigier, DER STANDARD - Printausgabe, 29. November 2011)