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Die Orte wechseln, die Illusionen bleiben: Greenpeace- Aktion beim vorjährigen Klimagipfel in Cancún. - Zeit, sich von falschen Hoffnungen zu verabschieden.

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Oliver Geden: Weltklimaabkommen ist eine Illusion

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Beim Weltklimagipfel in Durban steht die EU vor einem Dilemma. Soll die klimapolitisch nach wie vor ehrgeizigste Weltregion weiterhin auf eine hoffnungsfrohe Klimadiplomatie setzen, obwohl damit bisher kaum Fortschritte erzielt wurden und die globalen Treibhausgasemissionen im gleichen Zeitraum um ein Drittel gestiegen sind?

Nachdem der Kopenhagener Gipfel 2009 aufgrund überzogener Erwartungen spektakulär gescheitert war, hatte man im darauffolgenden Jahr eine vorsichtigere Herangehensweise gewählt. Von unrealistischen Hoffnungen entlastet, konnte die Konferenz in Cancún immerhin zeigen, dass die Klimadiplomatie noch funktionsfähig ist. Insofern überrascht es nicht, dass die EU auch für Durban eine eher zurückhaltende Verhandlungsstrategie wählt. Das Problem dabei: Aufgrund der ungebremst ansteigenden Emissionen und des nahenden Scheiterns des 2-Grad-Ziels taugt dieser Ansatz nicht als klimapolitische Lösungsstrategie.

Um diesem Dilemma zu entgehen, setzt die EU auf das klassische Handlungsmuster der Klimadiplomatie: Man nährt Hoffnungen auf einen großen Durchbruch in der Zukunft. Die Konferenz in Durban soll nach dem Willen der Europäer einen Fahrplan beschließen, der das Ziel vorgibt, bis 2015 einen umfassenden und völkerrechtlich verbindlichen Weltklimavertrag zu beschließen. Anzunehmen, dass es bis dahin zu einem tiefgreifenden Wandel der klimapolitischen Präferenzen von China, Indien oder den Vereinigten Staaten gekommen sein wird, scheint mehr als fragwürdig.

Die Einigung auf einen Fahrplan bis 2015 hätte für die EU-Klimadiplomatie allerdings den unschätzbaren Vorteil, dass man derzeit zwar keine wirklichen Fortschritte erzielen kann, aber durch Artikulation ambitionierter Zukunftspläne vier weitere Jahre Zeit gewinnt. Zu einem solchen Angebot werden wohl auch weniger ambitionierte Industrie- und Schwellenländer kaum Nein sagen können. Das Vorgehen erinnert stark an vergangene Phasen der Klimadiplomatie, etwa an die 2007 beschlossene "Bali-Roadmap", die beim Kopenhagener Gipfel zu einem umfassenden Weltklimavertrag hätte führen sollen.

Für die Klimapolitik wäre ein "Kopenhagen II" im Jahr 2015 fatal. Das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit des UN-Systems würde weiter erodieren, die Bereitschaft zur globalen Kooperation ebenso. Angesichts der ungebremst ansteigenden Emissionen und der zunehmend düsteren Prognosen prominenter Klimaforscher droht ein klimapolitischer Fatalismus, der technische Methoden der Klima-Manipulation (Geo-Engineering) vermutlich als letzten Ausweg erscheinen ließe.

Einen umfassenden, ambitionierten und zugleich mit wirksamen Sanktionsmechanismen ausgestatteten Weltklimavertrag wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Und selbst wenn sich eine Klimakonferenz je darauf einigen könnte, stünde ein mindestens fünfjähriger Ratifizierungsprozess bevor - selbst beim vergleichsweise eng gefassten Kioto-Protokoll dauerte dies sieben Jahre!

Statt die Zeit bis 2015 für mutmaßlich vergebliche Hoffnungen zu verwenden, sollte die EU den Realitäten ins Auge sehen und ernsthaft nach alternativen Wegen suchen - statt den derzeitigen Pfad der Klimadiplomatie für alternativlos zu erklären. Damit nähme sie weniger ehrgeizigen Akteuren auch die Möglichkeit, ihre Untätigkeit mit Verweis auf ein fehlendes globales Abkommen zu legitimieren.

Die globale Aufgabe der EU bestünde deshalb nicht zuletzt darin, zu beweisen, inwieweit eine wirksame Klimapolitik schon unter heutigen Bedingungen technologisch umsetzbar, versorgungssicherheitspolitisch sinnvoll und wirtschaftlich zumindest nicht nachteilig ist. Weltweit wird sich der Fokus auf pragmatische Schritte zur Emissionsreduktion verschieben müssen. Regionale Programme zur Anpassung an den Klimawandel werden einen größeren Stellenwert erhalten, aber auch flexible und anreizorientierte Kooperationsregime zwischen einzelnen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern. Denn Fortschritte bei der globalen Reduktion von Emissionen kann es nur dann geben, wenn entsprechende Politiken auch für Schlüsselstaaten wie USA, China und Indien anschlussfähig sind, wie etwa Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Erhöhung der Energieversorgungssicherheit.

Dies bedeutet keineswegs, dass die EU allein auf den "good will" der weltweit größten Emittenten angewiesen wäre. Sie kann auch versuchen, ihre Klimapolitik durch handelspolitische Maßnahmen zu globalisieren, etwa durch "Klimazölle" für Waren aus Ländern ohne CO2-Bepreisung. Dass die EU es ernst meint mit dem Klimaschutz, beweist sie weniger durch ihre Verhandlungspositionen in Durban. Weit wichtiger ist es zum Beispiel, beim aktuellen Streit um die Einbeziehung des interkontinentalen Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel hart zu bleiben. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.11.2011)