Erinnern Sie sich an Angel Blue, jene afroamerikanische Sopranistin, die schockiert darüber war, am Taxistand vor der Wiener Oper von einem Vertreter der Taxlerzunft mit den Worten "Get out of my car, I don't drive black women" ("Verlassen Sie mein Auto, ich fahre keine schwarzen Frauen") als Kundin abgelehnt worden zu sein? Kaum hatten ihre FreundInnen den rassistischen Zwischenfall publik gemacht, da startete auch schon die Unglaubwürdigkeitssuada:

Angel Blue, ihre Bekannten - oder gar die über den Vorfall berichtenden JournalistInnen - hätten die Szene aus Publicitygründen erfunden. Angel Blue habe die Bemerkung des Mercedeschauffeurs missverstanden, immerhin verstehe sie ja kein Deutsch. Überhaupt sei der betreffende Taxler nicht zu finden, also fehle jeder Hinweis, dass sich die Sache wirklich so abgespielt habe: Eine Vielzahl von Abwehrargumenten wurde aufgeboten. LeserInnen, die ihnen folgten, wurden in Postings und sonstigen Kommentaren immer zorniger auf andere, die der Sängerin glaubten.

Die Unglaubwürdigkeits-Mühle springt hierzulande regelmäßig an, wenn eine Person mit Schilderungen diskriminierender Erfahrungen an die Öffentlichkeit geht. So ist auch in anderen europäischen Ländern, aber vielleicht vielfach nicht ganz so laut. Das Bestreben rechter Kreise, die Kontrolle über das zu wahren, was als glaubhaft und als unglaubhaft zu gelten hat, was sagbar und was unsagbar ist, ist in Österreich offenbar besonders stark.

Wie bei Angel Blue

Dabei existieren, für jede/n einsehbar, Berichte, die eine Vielfalt derartiger Schilderungen enthalten, die alle von einer staatlichen Einrichtung geprüft wurden und vielfach zu Interventionen gegen die Beleidiger oder Benachteiligenden geführt haben: die Berichte der Gleichbehandlungsanwaltschaft des Bundes, die im Zweijahrestakt erscheinen (gleichbehandlungsanwaltschaft.at). Im bisher letzten Bericht aus 2008/2009 kommt zum Beispiel das Erlebnis einer in Österreich lebenden Nigerianerin vor, die in einem Supermarkt fälschlicherweise des Ladendiebstahls bezichtigt worden war: Sie hatte nichts gekauft, war aber, nachdem sie die Kassa bereits passiert hatte, von zwei Verkäuferinnen von der Straße ins Geschäft zurückgeholt worden. Die Verkäuferinnen beschimpften sie auf rassistsche Art. Es stellte sich heraus, dass sie nichts gestohlen hatte.

Die Gleichbehandlungskommission prüfte den Vorfall und stellte eine Diskriminierung aus ethnischen Gründen fest, das Unternehmen bot der Frau schließlich Gutscheine im Wert von 720 Euro an. Sie akzeptierte. Vor allem aber: Ihr Vorbringen, sie sei rassistisch beschimpft worden, war als glaubhaft eingeschätzt worden, auch wenn Beweise - etwa Aussagen mehrerer, voneinander unabhängiger Zeugen des Vorfalls fehlten. Denn bei der Glaubhaftmachung obliegt es den Beklagten (im Nigerianerin-Fall den Supermarktverantwortlichen) zu beweisen, dass ein anderer Grund als der von der Klägerin (der Nigerianerin) vorgebrachte zu den Vorkommnissen führte. Alternative Erklärungsansätze für den Umstand, dass sie derart rüde aufgehalten und als Diebin bezeichnet worden war, hatten weniger Überzeugungskraft als der von ihr selbst geschilderte Ablauf der Ereignisse.

Die Chance, dass man ihnen glaubt, haben laut dem Gleichbehandlungsgesetz seit August 2008 auch Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen diskriminiert wurden. Vor allem Frauen, die auf diese Art belästigt wurden, was - wenn sich eine Betroffene über einen solchen Vorfall beschwert - ebenfalls gern reflexartig in Zweifel gezogen wird. Der zusätzlichen Wehrmöglichkeit gegen angewandten Sexismus könnte, sobald er besser bekannt ist, reger Zuspruch bevorstehen. Denn im Arbeitsbereich, wo Derartiges schon seit längerem einklagbar ist, sind die Beschwerden an die Gleichbehandlungsanwältinnen zahlreich.

Aufdringlicher Fahrlehrer

Sexuelle Belästigung bei Dienstleistungen stellte laut Gleichbehandlungskommission etwa das Erlebnis einer 17-jährigen Fahrschülerin mit ihrem Fahrlehrer dar. Dieser hatte der jungen Frau ihre erste Übungsfahrt mit der Bemerkung: "Die erste Fahrt ist wie beim ersten Mal, das wirst du etwas nervös sein" versüßt. Dann forderte er sie auf, mit ihm an einen "schönen Ort" zu fahren, dirigierte sie auf entlegene Schotterstraßen und begrapschte sie. Als sie am Ende der Fahrstunde entnervt aus dem Auto sprang, rief er ihr nach, sie solle doch nicht so hysterisch sein.

Die Unglaubwürdigkeits-Mühle hätte auch hier einige Anknüpfungspunkte: Die 17-Jährige habe das nur erfunden, sie habe den Fahrlehrer missverstanden (siehe Fall Angel Blue). Dass sie erst Monate später von den Vorfällen erzählte - in der Zwischenzeit verweigerte sie mit dem Argument, sie fürchte sich vor Fahrten in der Nacht, den weiteren Fahrschulbesuch - hätte das "Fantasie"-Argument wohl noch verstärken können. Und es wäre wohl behauptet worden, sie habe die enge Tuchfühlung mit dem Fahrlehrer ja selber wollen, immerhin sei sie erst am Ende der Fahrstunde ausgestiegen.

Im echten Leben flatterte den Eltern des Mädchens nach der ersten Beschwerde ein Schreiben des Fahrlehrer-Anwalts ins Haus, dass weitere Behauptungen, er habe sich ihr aufdringlich genähert, Rechtsschritte zur Folge haben würden. Die Glaubwürdigkeits-Erkenntnis der Kommission war da sehr hilfreich. Zumal es allgemein wieder schwieriger wird, in derart Fällen Recht zu bekommen: Männer, die wegen Sexualdelikten vor Gericht stehen wurden in den vergangenen Jahren wieder seltener als davor verurteilt werden, trotz der vielen Gesetzesregelungen, die Derartiges unter Strafe stellen.

Woran das liegt? Die Betreiber der Unglaubwürdigkeits-Mühlen, die gern wieder gesellschaftliche Zustände wie vor der Frauen- und den Emanzipationsbewegungen der letzten Jahrzehnte erreichen würden, hatten Erfolg. Man hört auf sie. (Irene Brickner, derStandard.at, 26.11.2011)