Als der Name von Kamal Ganzouri als möglicher neuer ägyptischer Interimspremier auftauchte, mochte man es nicht recht glauben: Den aufgebrachten Demonstranten, die den Rücktritt des Militärrats als Symbol des alten Systems fordern, einen 78-jährigen Mubarak-Vertrauten vor die Nase zu setzen, ist eine rechte Chuzpe.

Allerdings haben der Junta wohl etliche andere Kandidaten abgesagt, offenbar wollte sich keiner beschädigen. Und so schlägt eben noch einmal die Stunde - lange dürfte diese ohnehin nicht werden - des Mannes, der 1996 bis 1999 schon einmal Premierminister Ägyptens war. Nicht dass er damals so unglaublich tüchtig gewesen wäre, dass man sich von ihm nun einen rettenden Ansatz für die Lösung der Misere erwarten könnte. Aber zumindest eines kann man ihm nicht absprechen: Regierungserfahrung.

Diese begann beim studierten Agrar- und Wirtschaftswissenschafter schon vor 1981. Als Hosni Mubarak dem ermordeten Anwar al-Sadat als Präsident nachfolgte, ernannte er Ganzouri zum Minister für Planung und Internationale Zusammenarbeit. Ganzouri ist demnach ein Mann Mubaraks der ersten Stunde, der ihn aber seinerseits von Sadat "geerbt" hatte, der ihn 1974 zum Staatssekretär im Planungsministerium bestellt hatte.

Wie Mubarak stammt Ganzouri aus der Provinz Manufiya, dessen Einwohner Witze erdulden müssen wie in unseren Breitengraden die Ostfriesen oder Burgenländer. Als Kamal Gan-zouri 14 Jahre alt war, übersiedelte die Familie aus Kairo, angeblich um dem Sohn eine bessere Ausbildung ermöglichen zu können. Und dieser ergriff seine Chancen: Nach der Matura studierte er Landwirtschaft an der Universität Kairo, ein Studium, das er - nebenher schon im Büro des Landwirtschaftsministers arbeitend - abschloss. In den USA hängte er ein Doktoratsstudium an der Universität des Staates Michigan an.

Nach einer Zeit im Planungsministerium ging er 1972 für zwei Jahre nach Saudi-Arabien. Bei seiner Rückkehr erwartete ihn der Sprung in die Politik: zuerst als Staatssekretär, danach als Gouverneur der riesigen Südwestprovinz Al-Wadi Al-Jadid, später von Bani Suweif. Für Mubarak managte er als Premier eine frühe Phase der Wirtschaftsreformpolitik, allerdings nicht sehr erfolgreich, und er blieb nur drei Jahre. Allerdings wäre es wohl nicht fair, ihn allein dafür verantwortlich zu machen. Das System war schon damals schwerfällig. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2011)