Phnom Penh - Zehntausende Menschen werden in Kambodscha jedes Jahr von ihren Parzellen vertrieben, um Platz für lukrativen Bau- oder Plantagengrund zu machen. Frauen seien dabei besonderen Gefahren ausgesetzt, berichtete die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am Donnerstag in der Hauptstadt Phnom Penh. Sie legte dazu einen Bericht vor.

Nach Angaben der Organisation verlieren die Menschen nicht nur ihre Bleibe, sondern werden bedroht und eingesperrt. "Frauen stehen im Kampf gegen Zwangsvertreibungen in der ersten Reihe", sagte Donna Guest, stellvertretende Asien-Pazifik-Direktorin. Sie rief die Regierung auf, Zwangsvertreibungen zu stoppen.

In Kambodscha werden nach Angaben der EU-Abgeordneten Cecilia Wikstrom auch Dörfer geräumt, weil InvestorInnen von der EU-Initiative "Everything but arms" profitieren wollten. Unter dem Programm erlaubt die Europäische Union Entwicklungsländern, alle Produkte außer Waffen zollfrei in die EU zu exportieren. Sie habe mit Familien gesprochen, die vertrieben worden seien, weil Exporteure auf ihrem einstigen Land Zucker für den Export in die EU anbauen wollten, sagte Wikstrom nach einem Besuch im Mai. Sie wolle sich dafür einsetzen, dass die Zollfreiheit für "Blutzucker aus Kambodscha" gestoppt werde.

Unter der Schreckensherrschaft der Roten Khmer war in den 1970er Jahren ein Viertel der Bevölkerung von damals rund acht Millionen ausgerottet worden. Sämtliche Besitzunterlagen wurden vernichtet, weil die Roten Khmer eine maoistische Bauerngesellschaft verwirklichen wollten.

Nach den Schreckensjahren herrschte jahrelang Bürgerkrieg. Die Menschen siedelten sich an, wo sie Platz und Acker fanden. Es gibt zwar ein Gesetz, das Grundbesitzeigentum anerkennt, wenn die Besitzer nachweisen können, dass sie seit langem auf dem Gelände gewohnt haben. Mangels Papieren gelingt das vielen Menschen aber nicht. Die Behörden gelten als korrupt und verdienen an der Verteilung von Land an reiche Investoren oft mit.

Selbstmord einer Kämpferin

Am Dienstag hatte Chea Dara (33), eine prominente Kämpferin gegen Zwangsversteigerungen, Selbstmord begangen. Die Behörden hatten ihrer Familie zwei Tage Wohnrecht auf dem Gebiet des ehemaligen Boeung-Kak-Sees verwehrt. Der See ist trockengelegt und als teures Baugrundstück an InvestorInnen verkauft worden. 2.000 Menschen, die an den Ufern teils seit Jahrzehnten lebten, wurden vertrieben. Nach harten Protesten stellten die InvestorInnen einen kleinen Bereich für den Bau günstiger Wohnungen für einstige Anrainer zur Verfügung.

Amnesty präsentierte Hoy Mai (48), Mutter von acht Kindern, die nach eigenen Angaben 2009 mit ihrem ganzen Dorf in Nordkambodscha vertrieben worden war, weil ein Politiker der Regierungspartei das Gelände für die Anlage einer Zuckerrohrplantage bekommen hatte. Als sie im fünften Monat schwanger nach Phnom Penh fuhr um zu protestieren, wurde sie festgenommen. Sie wurde nach acht Monaten erst aus dem Gefängnis entlassen, als sie eine Erklärung zum Verzicht auf ihr Land unterzeichnet hatte. (APA)