Menschenhandel ist ein Kontrolldelikt. Dass sich die Opfer an die Polizei wenden, komme so gut wie nie vor. Das sagte Gerald Tatzgern, Leiter der Leiter der Zentralstelle Menschenhandel im Bundeskriminalamt (BK), am Mittwoch im Zuge der Pressekonferenz zur Aushebung des bulgarischen Menschenhändlerrings. Auch das Bundeskriminalamt war massiv in die Ermittlungen und die Kooperation zwischen bulgarischen und österreichischen Fahndern eingebunden.

Tatzgern betonte, dass die Zahlen der Verfahren zu Menschenhandel und grenzüberschreitendem Prostitutionshandel in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen sind. So gab es heuer von Jänner bis September 37 Verfahren zum grenzüberschreitenden Prostitutionshandel, dazu kamen zwölf weitere wegen Menschenhandels. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 31 bzw. 13. Im Jahr 2010 wurden 68 Opfer ausgeforscht, "heuer werden es bedeutend mehr sein".

"Aus Liebe"

Die im Zuge der Operation "Montana" beobachtete Rekrutierungsmethode "Loverboy" macht es für die Ermittler zusätzlich schwierig, an Opfer zu kommen. Die Täter gaukelten den Frauen die große Liebe und das bessere Leben im Westen vor. Die Ausgebeuteten mussten auch "aus Liebe" für das Einkommen sorgen - indem sie sich prostituieren lassen sollten. Das Problem für die Ermittler: "Die Opfer sehen sich nicht als solche. Sie kommen erst nach Monaten dahinter, dass sie vom Geld nichts sehen", so Tatzgern.

Doch auch das bringt sie nicht zur Polizei: Denn die Täter arbeiten nicht nur mit der vorgetäuschten Liebe, sondern auch mit Einschüchterung und roher Gewalt. Drohungen werden nicht nur gegen das Opfer selbst gerichtet, sondern auch gegen dessen Familie. Die Frauen selbst wurden brutalst zusammengeschlagen und regelrecht auf den Strich geprügelt. Sie hatten zwar viele Kontakte, etwa zu ihren Kunden, "aber es gab keinen einzigen, bei dem sie um Hilfe baten", schilderte der BK-Ermittler. Zu beobachten ist laut Tatzgern in jüngster Zeit, dass die Gewalt massiv angestiegen sei.

Schlepperei

In Österreich gibt es laut Tatzgern rund 5.500 registrierte Sexarbeiterinnen, in Wien sind es 2.200. Wobei gebürtige Österreicherinnen in der Minderheit sind, die meisten Prostituierten kommen aus EU-Ländern, wie Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Tschechien und der Slowakei. Dazu kommen Frauen aus Nigeria: "Bei ihnen trifft der Menschenhandel mit der Schlepperei zusammen", sagte Tatzgern. Sie werden über die Sahara zur nordafrikanischen Küste gebracht und dann in Europa eingeschleust.

Die Täter agieren nach dem Motto "Nur nicht auffallen". Nicht zuletzt deshalb werden die Opfer oft als Prostituierte angemeldet. Minderjährige werden nur selten verkauft, nicht zuletzt deshalb, weil auch die Kunden sehr darauf schauen, sich nicht strafbar zu machen.

Österreichische Frauen nicht betroffen

Neben der "Loverboy"-Methode gibt es weitere Arten, wie Menschenhändler ihre Opfer rekrutieren wollen. "Wir müssen sehr die neuen sozialen Medien im Auge behalten", sagte Tatzgern. Österreichische Frauen seien aber auf Facebook, Twitter und Co. nicht so sehr die Zielgruppe für die Täter.

Oft werden auch Täuschungen angewandt. Die Menschenhändler gaukeln den Frauen vor, dass sie als Putzfrau, Kindermädchen, Au-Pair oder in einem Restaurant arbeiten werden. Vom Putzen im Restaurant geht der Weg oft über eine Tätigkeit als Bar- und Animierdame in die Prostitution. Im Fall der Nigerianerinnen wird ihnen im Zielland meist eröffnet, dass sie nun beispielsweise 35.000 Euro zurückzahlen müssten, denn so viel habe die Schleppung gekostet. (APA)