"Das gesetzliche Pensionierungsdatum wird eine fiktive Größe" ist Prof. Dr. Leopold Stieger überzeugt

Wer über dieses hinausdenkt und plant, braucht keine alter(n)sgerechten Arbeitsplätze, keine Schonarbeiten, keine Hilfsprogramme, sondern ist fit für Neues.

Jeder bestimmt selbst den persönlichen Übergangs-Termin und entscheidet frei über finanzielle Vor- und Nachteile, über Zu- und Abschläge auf seinem Pensionskonto. Viele Unternehmen haben sich zur Einhaltung der von ihnen selbst erstellten CSR-Richtlinien verpflichtet. Aber steht in diesen Selbstverpflichtungen auch etwas über einen sinn- und ehrenvollen Umgang mit ihren älteren Mitarbeitern?

Unternehmen, die ihren älteren Mitarbeitern aus ihrer Wertehaltung heraus versprechen, alles zu tun, damit diese fit sind bis zum letzten Arbeitstag, antwortet die Hirnforschung klar: Wer eine Punktlandung zum Tag der Pensionierung hinlegen will, dem gibt sein Hirn den Befehl, langsamer zu werden und zu sinken, um im Beispiel Flugzeuglandung zu sprechen, nicht über die Piste hinauszurasen. Und der Körper folgt diesem Hirnauftrag konsequent und stetig. Das Ergebnis ist ein sehr großer und selbstverschuldeter Produktivitätsverzicht.

AK Präsident Herbert Tumpel sieht das anders: "Wer will, dass länger gearbeitet wird, muss das auch möglich machen"

Den Thesen von Leopold Stieger zum Pensionssystem kann ich nur zum Teil folgen. Wer will, dass länger gearbeitet wird, muss das vor allem auch möglich machen.

Folgendes möge als Denkanstoß dienen:

•Im Jahr 2010 betrug das durchschnittliche Zugangsalter bei Alterspensionen bei Männern knapp 63/bei Frauen über 59 Jahre, bei der Invaliditätspension knapp 54 Jahre bei Männern/rund 49 bei Frauen.

Wir haben jährlich 70.000 Anträge auf Invaliditätspension, 40.000 werden abgelehnt, aber 30.000 gehen in Invaliditätspension. Das zeigt: Nicht das faktische Pensionsantrittsalter sondern die Invaliditätspensionen ist die sozialpolitische Herausforderung.

•Psychischen Erkrankungen als Ursache für Pensionierungen haben sich in 10 Jahren nahezu verdoppelt. Hier brauchen wir eine Präventionsoffensive.

•Rund 40 Prozent von krankheitsbedingten Neuzugängen erfolgen aus der Arbeitslosigkeit, 30 Prozent aus dem Krankengeldbezug und nur rund 25 Prozent aus der Erwerbstätigkeit.

Das zeigt, dass viele Unternehmen ältere, gesundheitlich beeinträchtigte ArbeitnehmerInnen einfach kündigen. Da brauchen wir eine neue Unternehmenskultur und -organisation in deren Zentrum auch alternsgerechte Arbeitsplätze stehen. (derStandard.at, 25.11.2011)