Der zur Unterstützung der Familien eingerichtete Fonds (FLAF) hat seit einigen Jahren ein Defizit. Da die Zahl der Geburten nicht gestiegen ist, resultiert dieses Defizit (akut: 3,9 Mrd. Euro) aus der Ausweitung von Leistungen, etwa Erhöhungen der Familienbeihilfe, Veränderung beim Kindergeld. Finanziert wird der Fonds überwiegend durch eine Abgabe auf Arbeit, die bei den Unternehmen eingehoben wird.

Angesichts der Krise der öffentlichen Haushalte muss auch hier überlegt werden, was zu tun ist. Man könnte die Leistungen natürlich kürzen - das aber will keine der beiden Regierungsparteien.

Der für Familienpolitik zuständige Minister Mitterlehner schlug nun vor, die Mittel des Fonds nur mehr für die Aufgaben zu verwenden, für die er ursprünglich eingerichtet worden war, vor allem für die Zahlung der Familienbeihilfe. wodurch diese dann durch eine automatische Anpassung an gestiegene Preise erhöht werden könne.

Dieser Vorschlag zeugt von hoher staatspolitischer Vernunft: Der Fonds wird mehr Geld an die Haushalte überweisen, ohne mehr Mittel zu bekommen. Um den Rest soll sich wer anderer kümmern.

Die Finanzministerin hat bisher dazu geschwiegen, ebenso der Sozialminister, die Justizministerien und die Unterrichtsministerin - ebenjene vier Ministerien also, die von dieser Maßnahme direkt betroffen wären, da sie die anderen Zahlungen übernehmen müssten; Schulbücher, Zahlungen an die Pensionsversicherungen für Beiträge der Versicherten während der Karenzjahre, bevorschusste Unterhaltszahlungen und anderes. Auch Länder und Gemeinden wären betroffen.

Mittlerweile wurde eine neue Idee ins Spiel gebracht: Staatssekretär Schieder schlug vor, die Beiträge zu erhöhen und dabei die Berechnungsbasis für die Abgabe an den FLAF zu ändern. Nicht nur Löhne und Gehälter, vielmehr die ganze Wertschöpfung solle für die Bemessung herangezogen werden. Es würden in diesem Fall also nicht mehr nur die Arbeitseinkommen besteuert, sondern auch die Einkommen aus Kapital. - Die ÖVP hat diesen Vorschlag mit Hinweis auf eine dadurch entstehende Belastung der Unternehmen abgelehnt.

Es stimmt schon: Das gewünschte höhere Aufkommen bedeutet eine zusätzliche Belastung - wie immer man es finanziert. Die vorgeschlagene Veränderung der Bemessungsgrundlage würde vor allem kapitalintensive Unternehmen, also den Sektor Großindustrie stärker belasten (arbeitsintensive Produktionen wie im Dienstleistungsbereich wären dagegen wenig bis gar nicht davon betroffen). Das kann doch aber kein hinreichender Grund sein, den Vorschlag abzulehnen.


Grobe Fahrlässigkeit


Das Defizit im FLAF ist vorhanden und muss, wie in allen anderen defizitären Bereichen des Staatshaushalts, reduziert werden. Darüber besteht Einigkeit. Wenn der Vorschlag von Staatssekretär Schieder der ÖVP nicht behagt, dann ist sie verpflichtet, andere Ideen in Diskussion zu bringen. also zu sagen, wer mehr zahlen oder durch Kürzungen von staatlichen Leistungen belastet werden soll. Einfach à la Mitterlehner eine Verschiebung der Ausgaben in andere Ressort-Budgets zu verlangen, ist im wahrsten Sinn zu billig. Es geht schließlich um die Staatsschulden insgesamt.

Kurzum: Eine Ausweitung der Finanzierung mit dem Hinweis auf dadurch entstehende Belastungen abzulehnen, aber die Leistungen beibehalten zu wollen ist angesichts der Finanzkrise grob fahrlässig. Eines freilich kann die ÖVP dem Vorwurf zu Recht entgegenhalten: Sie ist nicht die Einzige, die so verfährt. Der SPÖ ist diese Methode nicht fremd - siehe die Debatte um Studiengebühren. (Peter Rosner, DER STANDARD; Printausgabe, 23.11.2011)