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Journalisten, hier bei einem Protestmarsch im März, fordern die Freilassung der Inhaftierten.

Foto: AP/dapd

Istanbul - Im neuen Justizpalast von Istanbul, einem enormen kreisrunden Betonbau an einer Stadtautobahn, haben sie den größten Saal bekommen: Am Dienstag begann der Prozess gegen Ahmet Sik und Nedim Sener, die mittlerweile bekanntesten Journalisten der Türkei, sowie zwölf weitere Reporter und Publizisten.

Der kafkaeske Fall der beiden investigativ arbeitenden Journalisten hat der türkischen Regierung viel internationale Kritik und Mahnungen seitens der EU eingebracht. Sik und Sener, so die Anklage, sollen für den angeblichen Geheimbund Ergenekon tätig sein. Dabei waren es die zwei, die maßgeblich zur Aufdeckung von Verschwörungsplänen nationalistischer Kreise in der Türkei gegen die konservativ-muslimische Regierung von Premier Tayyip Erdogan beigetragen hatten.

Vor dem Justizpalast, wo sich um die 200 Unterstützer der inhaftierten Journalisten versammelt hatten, zeigte sich Ercan Ipekci, der Chef der türkischen Journalistenvereinigung, kämpferisch: "Wenn es einen Preis zu zahlen gibt, dann sind wir bereit dazu. Wir kennen ihn. Wir fordern Pressefreiheit für alle." 71 Journalisten sind derzeit nach Angaben von NGOs in der Türkei in Haft.

Seit Sener in Untersuchungshaft ist, habe es in der Türkei nirgendwo mehr in den Medien auch nur ein winziges von Journalisten aufgedecktes Detail gegeben, schrieb dieser Tage Kadri Gürsel, ein renommierter außenpolitischer Kommentator der Zeitung Milliyet. "Unser Problem ist, dass der investigative Journalismus, der die beobachtet, die politische Macht haben, und vor allem verfolgt, wie öffentliche Mittel verwendet werden, wegen des herrschenden Autoritarismus nicht mehr praktiziert werden kann." Sener und Siks Anwälte stellten einen Antrag auf Entlassung des Richters wegen Befangenheit.(mab/DER STANDARD; Printausgabe, 23.11.2011)