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Schneien aus allen Rohren - ob sich die Wintersportgebiete den Kunstschnee auf Dauer leisten können, ist eine Unbekannte des Klimawandels.

Foto: APA, AP; Collage: Friesenbichler

Der Klimawandel bedeutet nicht das Aus für den Wintertourismus, sagt Robert Steiger, Klimafolgenforscher an der Universität Innsbruck. Aber: Technische Anpassungsstrategien werden teuer. Mit den Temperaturen steigen Kosten und Ressourcenverbrauch für Beschneiungsanlagen - ob da alle Skigebiete mithalten können, sei fraglich.

Die alpinen Klimaaussichten bis 2080: Die Temperaturen werden in den 2030er-Jahren im Winterhalbjahr zwischen 0,8 Grad und 1,2 Grad steigen, um die Mitte des Jahrhunderts zwischen 1,6 und 2,6 Grad, ab 2080 zwischen 2,8 bis 4,2 Grad. Robert Steiger erforschte die Auswirkungen des Klimawandels auf die 228 österreichischen Skigebiete und präsentierte die Studienergebnisse am Dienstag bei der Konferenz "Managing Alpine Future II". Die Erwärmung werde überall Effekte haben, es gäbe aber starke regionale Unterschiede, sagt der Forscher. So könnte es die Ostalpen früher als die Westalpen "erwischen", die Skigebiete in Ostösterreich früher als die im Westen.

Der Anteil der schneesicheren Gebiete in Tirol und Salzburg sinkt bei einer Erwärmung bis zu zwei Grad langsam, während in den östlichen Bundesländern bereits eine Erwärmung von 0,5 bis 1,5 Grad ausreicht, um die Anzahl der schneesicheren Skigebiete zu halbieren. Um eine 100-Tage-Saison (Gradmesser für Rentabilität) zu garantieren, müsste beim Zwei-Grad-Szenario die Schneeproduktion verdoppelt werden, in Vorarlberg, Ober- und Niederösterreich schon bei 1,5 Grad Erwärmung.

Verallgemeinerungen, dass vor allem Skigebiete in mittleren Höhenlagen wenig Zukunftschancen hätten, sind für Steiger nicht zulässig. Denn: "Die klimatischen Verhältnisse können regional sehr unterschiedlich sein, man denke beispielsweise an Föhngebiete. Man muss Klimamodelle auf Skigebietsebene herunterbrechen, um halbwegs valide Aussagen treffen zu können."

Steiger verwendete für seine Berechnungen das Computermodell SkiSim 2.0, basierend auf einem in Kanada entwickelten und angewandten Modell. Das Programm simuliert die Schneedecke mit und ohne Beschneiung in den einzelnen Gebieten. Zwei Emissionsszenarien, ein eher ökologisch ausgerichtetes und ein ökonomisch orientiertes, wurden angenommen. Die Innsbrucker Studie ist die erste, die künstliche Beschneiung mitberücksichtigt.

Ohne Beschneiung wird künftig "wenig bis gar nichts gehen", ist Steiger überzeugt. Nicht nur aus klimatischen Gründen. Tourismusverantwortliche verweisen auf Kundenwünsche: Gäste wollen beschneite Pisten, "da darf kein Steinchen rausschauen", so Steiger, auch durch die höhere Frequenz auf den Pisten brauche man größere Schneemengen als in früheren Jahren.

Mehr Speicherseen

Mit der aktuellen Beschneiungstechnologie kann die fortschreitende Erwärmung in den meisten Skigebieten noch bis etwa Mitte des Jahrhunderts ausgeglichen werden, einzelne Skigebiete könnten aber schon in zehn Jahren an ihre ökologischen und finanziellen Grenzen stoßen, sagt Steiger. In trockenen Regionen der Alpen könnten durch den hohen Wasserverbrauch für die Beschneiungsanlagen Nutzungskonflikte entstehen, mehr Speicherseen müssten gebaut werden, was Eingriffe in die Landschaft bedeute.

Der Kunstschnee kostet: In Lech beispielsweise, wo pro Saison 850.000 Kubikmeter Schnee produziert werden, gibt man pro Winter sechs Millionen Euro für die Beschneiung aus. Fast die Hälfte aller Skigebiete müsste die Schneeproduktion bis 2050 verdoppeln und bis 2080 verdreifachen, errechnete Steiger. Ob sich die Skigebietsbetreiber die steigenden Beschneiungskosten langfristig leisten können und Gäste die teuren Skipässe, sei ebenso ein Fragezeichen wie das Konsumverhalten der Skifahrenden.

Würde nämlich ressourcenschonender Urlaub zum Trend, könnte sich das negativ auf die Skigebiete auswirken. Im Gegensatz zu klimatischen Veränderungen, für die man Zeitspannen zwischen 30 und 50 Jahren annehme, seien Änderungen des Konsumverhaltens kurzfristiger spürbar. "Betroffene Regionen sollten ihr Geschäftsmodell hinterfragen und sich touristisch deutlich umorientieren", lautet ein Fazit des Klimafolgenforschers.

Umdenken müsse auch die Politik, forderten Wissenschafter zur Konferenzeröffnung am Montag. Axel Borsdorf von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften appellierte an die Politik, sich der Verantwortung für die Bewältigung der Folgen von Klimawandel und Globalisierung in Gebirgräumen zu stellen: "Leider entspricht die politische Bedeutung unseres Landes in Fragen nachhaltiger Gebirgsraumentwicklung nicht dem wissenschaftlichen Ranking." Eric Veulliet, Leiter des alpS-Zentrums für Klimawandelanpassungsstrategien und -technologien: "Politik, Wissenschaft und Wirtschaft müssen gemeinsam mit den Bürgern dem Klimawandel Einhalt gebieten." (DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2011)