Damaskus/Istanbul/Moskau - Die syrischen Regierungstruppen sollen sich nach Informationen der Protestbewegung auf eine landesweite Operation mit dem Codenamen "Jüngstes Gericht" vorbereiten. Der Plan sehe vor, dass die Sicherheitskräfte Chaos stiften und Attentate verüben, um dann mit aller Härte gegen die Regimegegner vorzugehen, sagte ein Sprecher der Protestbewegung am Montag der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in einem Telefoninterview. Dieses Szenario werde in Gang gesetzt, falls es demnächst eine Syrien-Resolution des UNO-Sicherheitsrates geben sollte.

Auch der Granatenangriff auf ein Gebäude der regierenden Baath-Partei am vergangenen Wochenende gehe nicht auf das Konto der Regimegegner, betonte der Sprecher: "Entweder steckt das Regime selbst dahinter, oder es war ein Racheakt eines Einzelnen." Die Deserteure, die die Freie Syrische Armee gebildet haben, hätten nichts damit zu tun gehabt.

Überläufer der Streitkräfte, die ihren Sitz in der benachbarten Türkei haben, übernahmen jedoch die Verantwortung für den Angriff. Der Angriff sei eine Reaktion auf die Weigerung der Staatsführung, Zehntausende politische Gefangene freizulassen und die Streitkräfte aus Widerstandshochburgen abzuziehen, hieß es.

Drohende Sanktionen

Die Arabische Liga hatte Syrien mit Wirtschaftssanktionen gedroht, sollte Präsident Bashar al-Assad nicht bereit sein, 500 arabische Beobachter ins Land zu lassen. Damaskus hatte daraufhin so viele Änderungen an dem Protokoll der Liga für den Einsatz der Beobachter gefordert, dass die Liga erklärte, sie deute die Antwort der Regierung als "Nein". Am Donnerstag will die Liga in Kairo über ihr weiteres Vorgehen beraten. Aus Damaskus verlautete unterdessen, die Regierung habe das Protokoll als Beleidigung verstanden, da es die Souveränität der staatlichen Institutionen des Landes verletzt habe.

Zwischen Damaskus und Ankara verschärfte sich unterdessen der Ton. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte nach Angaben türkischer Medien am Montag bei einer Konferenz in Istanbul, Assads Tage seien gezählt, auch wenn er versuche, sich mit dem Einsatz des Militärs an der Macht zu halten. "Der Tag wird kommen, an dem auch Du gehen wirst", wurde Erdogan zitiert. In Syrien schossen Unbekannte auf einen Reisebus, der türkische Mekka-Pilger zurück in die Heimat brachte. Türkische Medien meldeten, ein Busfahrer und ein Fahrgast seien verletzt worden.

Russland warf dem Westen und arabischen Staaten vor, die syrische Opposition gegen Präsident Assad aufzustacheln. "Das ähnelt einer politischen Provokation internationalen Ausmaßes", sagte Außenminister Sergej Lawrow am Montag nach Angaben der Moskauer Agentur Interfax. Aus westlichen und arabischen Hauptstädten käme der intensive Appell an die syrische Opposition, nicht mit Assad zu verhandeln.

Zugleich kritisierte Lawrow einen von westlichen Staaten eingebrachten Resolutionstext, über den der UNO-Sicherheitsrat in New York bald abstimmen soll und der die Gewalt gegen die Opposition in Syrien verurteilt. Die Entwicklung in Libyen sei noch frisch in Erinnerung, sagte der russische Außenminister am Montag. Damals sei eine UNO-Resolution - die durch die Stimmenthaltung der Vetomächte Russland und China ermöglicht wurde - "brutal missbraucht" worden. "Statt die Zivilbevölkerung zu schützen, gab es Bombardierungen, durch die auch Zivilisten ausgelöscht wurden", sagte Lawrow. Russland und China haben bereits eine Resolution gegen Syrien im UNO-Sicherheitsrat verhindert.

Die syrische Protestbewegung rief für den morgigen Dienstag zu einer Protestaktion unter dem Motto "Freiheit für Jaman al-Kadri auf. Nach Angaben von Regimegegnern handelt es sich dabei um eine Studentin der Zahnmedizin, die wegen ihrer Teilnahme an Studentenprotesten inhaftiert worden ist.

Am Montag sollen in Homs vier Menschen getötet worden sein. Berichte aus Syrien lassen sich wegen der Medienblockade meist nicht überprüfen. Seit Beginn der Proteste gegen Assad im März sollen in Syrien zwischen 3.500 und 4.000 Menschen getötet worden sein. (APA/Reuters)