Niemand hat sich den Übergang Ägyptens vom System Mubarak in die Demokratie einfach vorgestellt. Aber dass der Beginn der ersten freien Wahlen im Schatten eines Blutbads am Tahrir-Platz stehen wird, ist eine Tragödie. Vordergründig stehen sich "das Militär" auf der einen Seite und der Rest des Landes auf der anderen gegenüber. In Wahrheit können auch jene, die ein neues Ägypten wollen, keine Grundübereinkunft darüber schließen, wie es aussehen soll. Die Vertrauensbasis zwischen den Gruppen der ägyptischen Gesellschaft ist dahin.

Noch einmal schweißen das Entsetzen und die Wut über die Brutalität, wie "die da oben" - früher Mubarak, jetzt der Hohe Militärrat - mit den Demonstranten umgehen, das Land zusammen. Es ist ein schlimmes Erwachen für einige, die den Traum von der patriotischen ägyptischen Armee, die am 11. Februar die Revolution der Jungen, Unzufriedenen vollendet hatte, weiterträumen wollten, obwohl die Zeichen längst anders standen.

Nun zeigt sich, dass das Militär seine Rolle auch für die Zukunft als erste Macht im Staate sieht - parallel dazu kann man durchaus ein buntes, schwaches Parlament wählen lassen, in dem die Repräsentanten der Bevölkerung nett miteinander spielen dürfen. Alles andere - Verfassungsgebung, Regierung - lässt die Armee nicht aus. Und ob die Gesellschaft genug Geschlossenheit und Optimismus für eine neue Revolutionsrunde aufbringt, ist unsicher. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.11.2011)