Philipp Maier, Rechtsanwalt bei Baker & McKenzie | Diwok Hermann Petsche, referierte über aktuelle Entwicklungen im Arbeitsrecht.

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"Verursacht ein LKW-Fahrer einen Unfall, weil er übermüdet ist, kann der Chef zur Verantwortung gezogen werden", erklärt Philipp Maier, Arbeitsrechtsexperte bei Baker & McKenzie | Diwok Hermann Petsche. "Unternehmer sind auch strafrechtlich für das Verhalten ihrer Mitarbeiter verantwortlich." Wenn sie nicht über ein ausreichendes Compliance System verfügen - also Kontrollmechanismen installieren, die dem aktuellen Arbeitsrecht Rechnung tragen. Dazu gehören etwa die Einhaltung von Ruhezeiten, die Pflicht zu Arbeitszeitaufzeichnungen und andere Schutzmechanismen, die für Beschäftigte und Kunden gelten. Die wichtigsten Regeln, die Vorstände und Personalverantwortliche im Kopf haben sollten, erläuterte Maier beim aktuellen HR Circle.

Pflicht zur Kontrolle

Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt eine Haftung bereits dann ein, "wenn der Verstoß ohne Wissen und Willen des Arbeitgebers begangen wird, er aber nicht nachweisen kann, solche Maßnahmen getroffen zu haben, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen und mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten lassen", wie es so schön heißt. Sprich: Für Firmen besteht die Pflicht zur Installierung und Einhaltung eines Maßnahmenkatalogs.

Arbeitszeit

Ein wichtiger Punkt ist die Regelung der Arbeitszeit, deren Höchstgrenze mit zehn Stunden pro Tag beziehungsweise 50 Stunden pro Woche limitiert ist. Zwischen den Arbeitstagen muss eine Ruhezeit von elf Stunden liegen, die ununterbrochene Ruhezeit pro Woche muss 36 Stunden betragen. Überstunden dürfen nicht mehr als zehn pro Woche geleistet werden. Der Chef muss dafür Sorge tragen, dass Mitarbeiter ihre Arbeitszeit fein säuberlich dokumentieren. Ob in elektronischer oder händischer Form spielt keine Rolle, es müssen nur Dienstbeginn, Pausen und Dienstende festgehalten werden.

Werden die Arbeitszeiten beziehungsweise die Ruhebestimmungen nicht befolgt, drohen je nach Delikt Verwaltungsstrafen zwischen 72 und 3.600 Euro. Bei der Strafe kommt es zu einer doppelten Kumulation. Das heißt: pro Verstoß und pro Arbeitnehmer muss gezahlt werden. "Auch wenn zum Beispiel nur 50 von 80 Mitarbeiter die Regeln verletzen", präzisiert Maier. Im schlimmsten Fall wird die Gewerbeberechtigung entzogen.

Sicherheit

Der Unternehmer hat die Verpflichtung, jeden einzelnen Arbeitsplatz hinsichtlich möglicher Gefahren zu analysieren. Evaluierungsergebnisse und Maßnahmen sind in "Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten" zu dokumentieren. Mitarbeiter sollen entsprechend instruiert werden. Unterlagen über Arbeitsunfälle müssen mindestens fünf Jahre aufbewahrt werden. Verstöße gegen den Arbeitnehmerschutz können mit bis zu 14.530 Euro geahndet werden.

Was vor allem dem Handel Probleme bereitet sei der Kinder- und Jugendlichenschutz, sagt Philipp Maier. Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr genießen eine besondere Obsorge. Sie dürfen nicht an Sonn- und Feiertagen eingesetzt werden, müssen tägliche Ruhezeiten von zwölf Stunden einhalten und dürfen nicht zwischen 20.00 und 6.00 Uhr beschäftigt werden. Die maximale Arbeitszeit ist pro Tag mit acht Stunden beziehungsweise pro Woche mit 40 Stunden reglementiert.

Frauen

Beim Frauenschutz muss beachtet werden, dass acht Wochen vor und nach der Geburt ein absolutes Beschäftigungsverbot existiert. Weiters hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass werdende oder stillende Mütter einen "geeigneten Arbeitsplatz" zur Verfügung haben. Besteht so einer nicht, müssen Mitarbeiterinnen vom Dienst freigestellt werden: "Und zwar bei vollen Bezügen." Arbeiten an Sonn- und Feiertagen ist ebenso verboten wie zwischen 20.00 und 6.00 Uhr.

Gleichbehandlung

Das Gleichbehandlungsgesetz regelt, dass es keine Diskriminierung aufgrund von Kriterien wie Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion oder ethnischer Herkunft geben darf. Kann der Arbeitnehmer eine Diskriminierung nachweisen, die für die Nichteinstellung ausschlaggebend war, stehen ihm oder ihr mindestens zwei volle Monatsgehälter als Entschädigung zu. Hat der Arbeitgeber die Bewerbung nicht berücksichtigt, kann es einen Anspruch von bis zu 500 Euro geben. "Bewerbungen sollen mindestens sechs Monate aufbewahrt werden", rät Maier, "das ist die Frist, um Ansprüche geltend zu machen." Die Beweislast liegt immer beim Unternehmer, "Arbeitnehmer können es einfach behaupten."

Ein eigener Punkt ist auch das Thema sexuelle Belästigung. Betriebe machen sich strafbar, wenn sie sexuelle Belästigung tolerieren - also nicht einschreiten, wenn sie davon Kenntnis haben. "Wenn der Verdacht da ist, muss ich als Chef aktiv werden", skizziert Maier die Vorgehensweise. Die Untergrenze beim Schmerzensgeld beträgt 720 Euro.

Bewerbungsprozess

"Der Bewerber hat das Recht zu lügen", sagt Maier und meint Antworten auf Fragen, die etwa bei einem Vorstellungsgespräch gestellt werden und die die Privatsphäre zu sehr tangieren. Fragen nach dem Gesundheitszustand, Kinderwünschen oder etwaigen Vorstrafen sind tabu und müssen nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden. Sehr wohl verlangen darf der Arbeitgeber ein Führungszeugnis, wie es bei der Polizei ausgestellt wird. Ob es der Bewerber dann tatsächlich vorlegt, sei natürlich letztendlich seine Entscheidung, so Maier.

Was bis jetzt noch kaum Unternehmen machen, ist mit 1. Jänner 2012 Pflicht. In Stellenausschreibungen muss neben einer diskriminierungsfreien Formulierung das kollektivvertragliche Mindestentgelt angegeben werden sowie, ob eine Bereitschaft zur Überzahlung besteht. Die Strafen bei Ignoranz betragen pro Inserat bis zu 360 Euro.

Dienstverträge

Bei Dienstverträgen empfiehlt Maier, den Dienstort nicht anzuführen, sonst könne es Schwierigkeiten bei Versetzungen geben. Mit einer Formulierung wie "der Dienstnehmer kann entsprechend der betrieblichen Erfordernisse in ganz Österreich eingesetzt werden" sei man auf der sicheren Seite. Auch bei der Benennung des konkreten Kollektivvertrags im Kontrakt rät er zur Vorsicht. Komme plötzlich ein anderer zur Anwendung, so können Arbeitnehmer auf die Bezahlung nach dem vertraglich Fixierten bestehen. Dienstverhältnisse dürfen nur einmal befristet werden. Wenn es nicht explizit im Dienstvertrag steht, besteht nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses keine Geheimhaltungspflicht der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse.

Freie

Scheinselbstständigkeiten, wie sie oft bei freien Dienstnehmern oder Leuten, die auf Werksvertragsbasis arbeiten, zu finden sind, können rechtliche Konsequenzen haben. Etwa in Form von Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber oder arbeitsrechtliche Ansprüche, die entstehen. Entscheidend ist, wie der Vertrag "gelebt" wird, sagt Maier, "und nicht, was draufsteht." Freie Dienstverhältnisse sind gekennzeichnet durch freie Bestimmung von Arbeitsort und -zeit und durch nicht vorhandene Weisungsgebundenheit von Mitarbeitern, die nicht einmal "organisatorisch" in den Betrieb eingegliedert werden sollen. Etwa durch das Bereitstellen von Arbeitsmitteln oder durch Firmen-Mailadressen.

Kündigungen

Bei Kündigungen wird dem Betriebsrat ein Mitwirkungsrecht zugestanden. Wird eine Kündigung vor Information des Betriebsrats vorgenommen, ist sie unwirksam. Der Betriebsrat hat die Möglichkeit, sein Äußerungsrecht innerhalb von einer Woche wahrzunehmen. "Stimmt er zu, ist alles klar. Falls nicht, geht es vor Gericht." Bei Entlassungen muss der Betriebsrat nicht vorab informiert werden. Einen besonderen Kündigungsschutz genießen Betriebsräte, Karenzierte, begünstigt Behinderte oder Präsenz- und Zivildiener. In solchen Fällen ist die Zustimmung des Gerichts erforderlich. (om, derStandard.at, 21.11.2011)