Dieser Broker heißt Jesus (Luc Feit).

Foto: Kostohryz

Ein Swimmingpool ist schon lange kein Statussymbol mehr. Das Film- und Fernsehpublikum weiß: Wo ein Swimmingpool ist, da ist was faul. In der Kulturlandschaft des postmodernen, spätkapitalistischen Westens ist er zum Symbol geworden. Die Oberfläche mag glänzen, sagt er uns - darunter aber gärt der Sittenverfall.

Somit birgt auch die Uraufführung von Guy Helmingers Das Leben hält bis zuletzt Überraschungen bereit im Grand Théâtre von Luxemburg keine große Überraschung. Die Bühne sieht aus wie von Edward Hopper gemalt: Ein stilisiertes Schwimmbad, in dem Möbel stehen und um das herum sich die restliche Wohnung befindet. Was hier sauber herausgeputzt daherkommt wie ein Boulevardstück im Seifenopern-Look, das wird noch böse enden.

In diesem gleißend weißen, sterilen Ambiente leben Tony und Grace. Tony (Martin Schwanda) ist Broker, er trägt weiße Anzüge mit pinken Farbakzenten, seine Frau Grace (Isabella Wolf) sieht aus wie eine Pin-up-Barbie. Ihre Rolle: Statussymbol. Zur Seite stehen diesen Protokapitalisten Jesus (Luc Feit) und die "Kids" der "Putzliesel", Kid Cool (Philipp Kraiczy) und Kid Kat (Jana Podlipna). Jesus ist Tonys Kollege und natürlich kein Heiland, sondern nur ein weiterer Broker, der durch zumeist schwachsinniges "Philosophieren" auffällt. Die Kids wiederum sind kleine Unterschichtsgenies, hochintelligent und vor allem maßlos und mit großem Gewaltpotenzial empört über die Ungerechtigkeit, die ihnen und vor allem ihrer Mutter in diesem geschniegelten Haushalt widerfährt.

Der in Luxemburg geborene Bachmann-Preisträger Guy Helminger zeichnet eine maßlos überspitzte Welt: Oberflächlichkeit, Menschenverachtung, und was man der verrotteten Moderne eben sonst noch so vorwerfen kann. Die Wiener Regisseurin und Salon5-Leiter Anna Maria Krassnigg, die auch schon Helmingers Stück Venezuela in ihrem Haus in der Fünfhausgasse inszenierte, hat sich ganz bewusst gegen das Setzen eines Fokus entschieden. Die ganze, mit kulturellen Zitaten und Deutungsansätzen vollgestopfte Dramenwelt Helmingers stellt sie in einem Einheitsraum auf die Bühne, strukturiert einzig von der von den Kids interpretierten Filmmusik, die die Auf- und Abgänge überblendet. Ansonsten prallen die maximal unterschiedlichen Lebenswelten der Figuren aufeinander, bis es kracht.

Das ganze Bühnengeschehen ist nicht nur plakativ und überzogen, es ist fast schmerzhaft künstlich und aufgesetzt. Ähnlich wie Helmingers kluge, aber nicht eben neue Gesellschaftskritik wäre das allein ein bisschen zu einfach. Doch während der Text mit seiner sprachlichen Brillanz überzeugt, ist die Stärke dieser Inszenierung, dass sie ausnehmend unterhaltsam und im besten Sinne einfach lustig ist. Vor allem aber schafft sie es, dass einem das Lachen dann doch ein paar Mal im Hals stecken bleibt - weil diese Kunstwelt doch näher an unserer Lebenswelt dran ist, als wir geglaubt haben.

Bleibt zu hoffen, dass die Produktion den Umzug vom monumentalen Grand Studio des Luxemburger Grand Théâtre in den intimen Salon5 gut übersteht. (Andrea Heinz, DER STANDARD - Printausgabe, 22. November 2011)