Für viele Gäste war es das erste Mal, dass sie eine Wiener Moschee von innen sahen.

Foto: Yilmaz Gülüm und Toumaj Khakpour

In der Sultan-Ahmet-Moschee in der Veronikagasse im 17. Bezirk wurde über das alltäglich Miteinander diskutiert.

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Tee und traditionelle Süssigkeiten waren Teil des Programms.

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"Ich habe gar nicht gewusst, dass hier eine Moschee ist", sagt Isolde Götz. Und das, obwohl die 58-Jährige gleich auf der anderen Straßenseite wohnt. Aus den Medien habe sie erfahren, dass heuer die "Lange Nacht der Moscheen" stattfindet und war umso überraschter: Ganz in der Nähe ihrer Wohnung befindet sich die Mescidi Aksa Moschee. Die Neugier trieb sie schließlich in die Räumlichkeiten. Für sie ist es - wie für viele Gäste an diesem Abend - das erste Mal, dass sie eine Wiener Moschee von innen sahen.

Fünf Gebetshäuser öffneten Freitagabend ihre Türen. Geplant und durchgeführt wurde das Ganze von der Islamischen Föderation Wien (IFW) - einer Organisation, die der Milli Görüs Bewegung nahe steht. Politik war allerdings kein echtes Thema. Ein Team aus Freiwilligen und Vereinsmitgliedern führte die Gäste in den Räumlichkeiten herum und antwortete auf Fragen. Dazu gab es etliches Infomaterial über die wichtigsten Feiertage im Islam, die Traditionen und Grundsätze. Der Schwerpunkt lag allerdings auf Diskussionsrunden zu aktuellen Themen rund um den Islam, die zeitgleich in den Moscheen stattfanden.

"Latent feindselige Einstellung gegenüber dem Islam"

In der Breitenfurter Straße 314 wurde vor etwa 50 Gästen über Islamophobie diskutiert. Farid Hafez vom Insitut für Orientalistik tat sich, ebenso wie "Die Presse"-Journalist Erich Kocina schwer, den Begriff überhaupt zu definieren. Einig waren sich die Diskutanten hingegen, dass es eine latent feindselige Einstellung in manchen Bevölkerungsteilen gegenüber dem Islam gibt. Wobei Studienergebnisse nahe legen würden, dass die Mehrheit der Menschen, die islamfeindlich eingestellt sind, gar keinen direkten Kontakt zu gläubigen Muslimen hätten, so Hafez.

Ein Spannungsfeld gäbe es jedenfalls bei der Grenze zwischen berechtigter Islamkritik und Islamophobie. Kocina ortet hier Kampfbegriffe, die von beiden Seiten verwendet werden: "Berechtigte Islamkritik wird von konservativen Gläubigen als Phobie abgestempelt." Auf der anderen Seite würde versucht, Islamophobie unter dem Deckmantel der "berechtigten Kritik" salonfähig zu machen. "Kritik am Islam und an uns selbst ist notwendig und angebracht", sagte schließlich Muhammet Tosun von der IFW. Wobei - wohl auch nicht unabsichtlich - heikle Themen und Selbstkritik an diesem Abend eher gemieden wurden.

"Wieso tragen eure Frauen ein Kopftuch?"

Am Ende der Diskussion gab es einige Fragen, gestellt wurden sie allesamt von autochthonen Österreichern, die etwas weniger als die Hälfte des Publikums ausmachten. Die elf-jährige Mara-Sophie wollte etwa wissen, wieso der Prophet Mohammed so wichtig im Islam sei oder wieso die Frauen ein Kopftuch tragen. Die Antworten kamen vom Imam persönlich: "Mohammed ist nur der letzte aus einer Reihe von Propheten, zu denen auch Jesus gehört", sagte er mit Hilfe eines Übersetzters. Ein anderer interessierter Gast zitierte einstweilen einen Absatz aus der Bibel, aus dem seiner Ansicht nach klar würde, dass bereits dort die Ankunft eines anderen Propheten niedergeschrieben sei.

Die Kopftücher sind dagegen eine andere Geschichte. Zum einen sei das Tragen religiöses Gesetz, und außerdem wären Frauen und ihre schönen Haare ein Schatz, den man schützen müsse, so der Imam. Mara-Sophie war fürs Erste zufriedengestellt.

"Ich kenne die Moscheen und den Tee"

Bei türkischen Süßigkeiten und traditionellem Cay tauschten sich auch in der Sultan-Ahmet-Moschee in der Veronikagasse im 17. Bezirk Interessierte aus. Viele Gäste, darunter ein Gutteil österreichische Familien und Ehepaare ließen sich Bräuche und religiösen Traditionen des Islam erklären. Manche hatten bereits erste Erfahrungen gesammelt: "Ich kenne die Moscheen und den türkischen Tee von meinen Istanbul-Reisen, für mich ist es zwar nichts neues, aber schön", erklärte Hans K.

Den muslimischen Frauen vom Verein war es vor allem wichtig ihre Rolle in der Moschee zu betonen. "Wir Frauen organisieren hier alles, es ist eine respektvolle Umgebung für jede Frau", sagte eine der Damen, die Führungen durch die Moschee machte.

"Döner-Morde" als Fehlentwicklung

Thema des Abends war in diese Moschee das Miteinander in der Gesellschaft. "Die Medien berichten teilweise sehr pauschalisierend über den Islam. Das führt zu Spannungen in der Gesellschaft und zu einem vorbelasteten Zusammenleben", erklärte Yakup Gecgel von der IFW. Die Deutsche Anne Wiederhold - ihres Zeichens künstlerische Leiterin der Brunnenpassage - setzte diesen Gedanken fort und unterstrich vor allem "unpassende Kommentare" zu den aktuellen "Döner-Morden" in Deutschland als Beispiel für schlechte Medienberichterstattung zum Thema. Dabei würde die Anerkennung seitens der Medien fehlen.

Problemfeld Schule

Zekirija Sejdini, der Repräsentant des Schura-Rates, hob besonders die Schule als Beispiel für das Miteinander hervor. Andererseits räumte er auch ein, dass gerade viele besser verdienende Migranten aufgrund der hohen "Ausländerzahl" ihre Kinder in Privatschulen stecken würden. Das Miteinander würde auch deswegen abhanden kommen, weil sich keiner in die Haut des anderen versetzen möchte, sagte Sejdini abschließend.

Der interreligiöse Austausch, der im Rahmen der langen Nacht der Moscheen stattfand endete mit einem gemeinsamen Nachtgebet nach Null Uhr. Die Organisatoren vor Ort hatten sich gut einen Monat lang auf die Veranstaltung vorbereitet. (Yilmaz Gülüm und Toumaj Khakpour, daStandard.at, 21.11.2011)