Coverseite des Satiremagazins Leman diese Woche: "Wie geht's euch, Soldaten?". Die Truppe antwortet mit einem Ausruf aus einer Werbung für eine neue Kreditkarte der türkischen YapiKredi-Bank. "Befreiung vom Wehrdienst mit Kreditratenzahlung auf der Tagesordnung", lautet die Erklärung.

Scan: Bey

Es war ein netter Versuch, aber wer weiß: Mit dem Einberufungsbefehl sollen junge Türken künftig auch ein Informationsblatt über die Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung erhalten. Das forderte dieser Tage die Anwältin des Wehrdienstverweigerers Osman Murat Ülke, und steuerte damit munter in das Territorium des Artikel 318 des türkischen Strafgesetzbuchs („Entfremdung der Öffentlichkeit vom Militärdienst“, bis zu viereinhalb Jahre Haft). Andererseits hat auch Staatspräsident Abdullah Gül nun laut über die Wehrdienstverweigerung nachgedacht und erklärt, es müsse eine „Form“ für das strittige Thema gefunden werden.

Kommenden Dienstag will Regierungschef Tayyip Erdogan den Abgeordneten seiner Fraktion einen Gesetzentwurf zu einer neuen Regelung des Freikaufs vom Militärdienst präsentieren; bisher konnten das nur Türken, die im Ausland lebten. Ein Passus über Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird dort nicht stehen. Aber das Thema ist zumindest im Raum und fügt sich in den Prozess der Entmachtung der türkischen Armee durch die gewählte zivile Regierung.

Die Türkei und der autoritär regierte Bruderstaat Aserbaidschan sind die einzigen Mitgliedsstaaten des Europarats, die nicht die Möglichkeit vorsehen, dass der kampf- und wehrfähige Mann zwischen 20 und 40 auch einmal nein sagen könnte. Die Türkei wird auch deswegen immer wieder vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt, was den Staat allerdings nicht sonderlich kümmert. Ein Recht auf Wehrdienstverweigerung stehe nicht in der Europäischen Menschenrechtskonvention, argumentieren die Anwälte der Republik, und der Rest seien innere Angelegenheiten des Staates.

Osman Murat Ülke vs. Türkei ist der bekannteste Rechtsfall in dieser Kategorie. Ülke hatte seinen Einberufungsbescheid 1996 bei einer eigens anberaumten Pressekonferenz in Izmir verbrannt. Bad move. Fortan ist er einem absurden Rad von Verurteilungen wegen „Entfremdung der Öffentlichkeit vom Militärdienst“, Überstellung zur Armeeeinheit, Befehlsverweigerung, neuerlicher Verurteilung, Überstellung nicht mehr entkommen. 2006 – zehn Jahre nach der ersten Verhaftung – gaben die Richter in Straßburg Ülke Recht. Sie wollten zwar nicht entscheiden, ob es sich um eine Verletzung des Rechts auf Meinungs- und Gewissensfreiheit handelt; die bis dahin achtmalige Verurteilung Ülkes wegen seiner Weigerung, eine Uniform zu tragen, und die Aussicht auf eine lebenslange Strafverfolgung und ein Leben im Untergrund seien unmenschlich, unverhältnismäßig gemessen an der Anschuldigung und darauf ausgerichtet, seinen Willen zu brechen. Hat insgesamt 11.000 Euro Schadenersatz und eine Niederlage für die Türkei ausgemacht.

Finanziell betrachtet ist das nicht einmal ein „peanut“: Der Freikauf vom Wehrdienst unter türkischem Banner (sechs Monate für Männer mit Uni-Abschluss, 15 Monate für alle anderen) soll demnächst für rund 15.000 wechselkursstabile Dollar zu haben sein, so heißt es angeblich aus dem Finanzministerium. Bei 100.000 zahlungskräftigen Recken macht das 1,5 Milliarden Dollar für die Staatskasse. Wobei noch nicht ausgemacht ist, wie viel davon die Armee einkassiert. Ihr Budget macht sich immer noch selbst.