Don Winslow, "Zeit des Zorns". Deutsch: Conny Lösch. € 15,40 / 338 Seiten. Suhrkamp, Berlin 2011

Foto: Suhrkamp

Ganz kurz erinnert man sich an David Hockneys sonnige Swimmingpoolbilder, aber das dauert nicht lang: Denn in der kalifornischen Luxusvilla zerlegt Chon gerade seine Pistole und starrt auf seinen Computer. Chon ist ein ehemaliger SEAL und hat den Afghanistan-Einsatz zumindest körperlich überlebt. Was er aber da auf dem Bildschirm zu sehen bekommt, findet selbst er beunruhigend.

Das Video zeigt die Enthauptung von neun Männern aus San Diego, fünf Drogenhändlern und vier mexikanischen Polizisten. Die Botschaft des Baja-Kartells: Chon und sein Kumpel Ben sollen das exklusiv starke Gras, das sie in Hightech-Glashäusern züchten, nicht mehr auf eigene Rechnung, sondern an das Baja-Kartell verkaufen.

In dem vielbeachteten Roman Tage der Toten hat Winslow den mexikanischen Drogenkrieg mit seinen politischen und wirtschaftlichen Hintergründen eindrucksvoll geschildert. Jetzt handelt er das Thema als privates Drama ab. Denn Chon und Ben wollen sich dem Diktat nicht beugen, Eskalation ist unvermeidlich, und das erste Opfer wird Ophelia, die Freundin, die mit beiden Männern mehr als eine sexuelle Beziehung hat.

Winslows temporeiche Dialoge schrumpfen Sätze auf den wesentlichen Kern zusammen. Gedankensplitter, Zitate aus der Hoch- und Popkultur, Zynismen, Porno und Poesie: einfach unverwechselbar. (Ingeborg Sperl, www.krimiblog.at  / DER STANDARD, Printausgabe, 19./20.11.2011)