Oskar Kokoschka "Zwei Mädchen beim Ankleiden" (1908).

Foto: Boswank

Salzburg - Zeit seines Lebens beschäftigte sich Oskar Kokoschka mit der Physiognomie und dem Körper des Menschen. Wie vielschichtig er mit diesem Thema in seinen Zeichnungen, Aquarellen und Ölbildern umging, zeigt eine Ausstellung im Rupertinum mit Leihgaben aus der Privatsammlung Willy Hahn. Der deutsche Musiker sammelte in seinen 92 Lebensjahren genau 90 Grafiken aus allen Schaffensperioden Kokoschkas. 68 Blätter sind nun in Salzburg zu sehen, nachdem die Sammlung vor kurzem erfolgreich im Kupferstichkabinett in Dresden gezeigt wurde.

Während im ersten Stock Kokoschkas Zeichnungen aufgehängt sind, wird im zweiten und dritten Stock das beinahe vollständige druckgrafische OEuvre aus der eigenen Sammlung des MdM gezeigt. Das ist beabsichtigt, denn aus zeichnerischen Vorstudien wie etwa den Porträts von Lilith oder Zwei Mädchen beim Ankleiden wurden später Druckzyklen wie Die träumenden Knaben.

Vor allem Kokoschkas Porträts stechen heraus. Sie präsentieren nicht nur die Lebensgeschichte des Künstlers und Literaten, sie zeigen auch seine visionären Fähigkeiten. In vielen seiner Menschenbilder (auch im Selbstbildnis aus 1920) scheinen in den Blicken so etwas wie düstere Vorahnungen der kommenden politischen Verhältnisse hervorzuspringen. "Das Körperliche ist eine Spiegelung des Geistigen", sagte Kokoschka. Als ein von den Nazis als "entartet" definierter Künstler musste er nach England ins Exil fliehen. Auf der anderen Seite hatte Kokoschka auch optische Visionen: "Er zeichnete die Menschen oft so, wie sie erst Jahre später aussehen sollten", betonte Peter Hahn, Sohn des Kunstsammlers. So sei es auch bei den Bildnissen gewesen, die Kokoschka von seinem Vater Willy Hahn gemacht und der sich damit gar nicht zufrieden gezeigt habe.

Einen Schwerpunkt in den Zeichnungen bildet die Beschäftigung Kokoschkas mit Alma Mahler, mit der er eine Beziehung hatte. Sein Alma-Porträt Das reine Gesicht ist wiederum Part eines Druckzyklus, diesmal Der gefesselte Columbus. Kurioses: Nach Ende der Beziehung ließ sich Kokoschka eine lebensgroße Alma-Puppe anfertigen, um dann Blätterzeichnungen von ihr anzufertigen. Waren Kokoschkas Arbeiten zu Beginn von einem flüssigen Stil geprägt, in dem die Leichtigkeit des Strichs offensichtlich war, wurde sein Stil später fast skulptural (etwa in den Rötelzeichungen der Tänzerin Mary Meerson). Von Bleistift, Kohle und Tusche wechselte er zunehmend zum Farbstift. Kokoschka pflegte auch eine starke Beziehung zu Salzburg, gründete er doch 1953 seine "Schule des Sehens", die internationale Sommerakademie auf der Festung Hohensalzburg.

Die meisten der gezeigten Arbeiten entstanden in Dresden zwischen 1917 und 1931. Auf dem internationalen Kunstmarkt hingegen werden Kokoschkas Bilder selten angeboten, was die Preise für seine Werke enorm beflügelt hat.  (Christian Weingartner  / DER STANDARD, Printausgabe, 19./20.11.2011)