Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Freitag zum ersten Mal per Internet-Video Fragen der Bürger auf ihrem neuen YouTube-Kanal beantwortet. In ihren Antworten bekannte sich Merkel zur Stabilität des Rentensystems, sie verteidigte die Diätenregelung für Abgeordnete, verteidigte das System der indirekten Demokratie - und wies den Pauschalverdacht der Bürgerferne zurück. Mit der neuen Videoplattform wolle sie den Bürgern ein eigenes Urteil ermöglichen über das, "was ich meine, was ich denke, wie ich argumentiere", sagte Merkel. Sie halte es für eine "kühne Behauptung", wenn Kritiker argumentieren, die Politik interessiere sich nicht für die Bürger.

Zehn Fragen

Die deutsche Regierung hatte Mitte Oktober ihren eigenen Kanal auf YouTube eingerichtet und die Bürger zu Fragen an die Kanzlerin eingeladen. Mehr als 1800 Fragen gingen seitdem ein. Von Freitag an will Merkel in drei Abschnitten jene zehn Fragen beantworten, die von den Nutzern in einem Ranking am höchsten bewertet wurden. Die von den Usern auf Platz eins gewählte Frage nach der Legalisierung von Marijuana beantwortete Merkel zunächst noch nicht. Keine der zehn höchstbewerteten Fragen betraf die Euro-Schuldenkrise. Stattdessen ging es um Steuererleichterungen für Malstifte und Windeln, Parteispenden, die Pensionen und Einnahmen von Abgeordneten.

Auf die in zahlreichen Fragen geäußerte Sorge um die Sicherheit der Pensionen entgegnete Merkel, "dass unsere Rente relativ stabil ist". Die Beiträge würden allerdings steigen - bei gleichzeitig sinkendem Rentenniveau. Bei der Pflegeversicherung räumte die Kanzlerin angesichts der Alterung der Bevölkerung Reformbedarf ein: "Da haben wir noch eine ganze Menge zu tun."

Politikverdrossen

In vielen der eingereichten Fragen schimmerte Verdruss der Bürger über die Politiker durch. Einer der Fragesteller argumentierte, die Fragen gingen der Kanzlerin lediglich "ins eine Ohr rein und ins andere wieder raus". Merkel wies diese Einschätzung als "pessimistisch" zurück. Sie beteuerte: "Ich bin aus Leidenschaft Politikerin, und deshalb finde ich die Fragen, die mir gestellt werden, immer auch sehr spannend." Sie bemühe sich, "wahrheitsgemäß und so zu antworten, wie die User das natürlich auch erwarten".

Kritik an der Diätenregelung für Abgeordnete wies Merkel zurück. Sie halte es für "gerechtfertigt", wenn ein Mitglied des Bundestags ein Gehalt bekommt, "das im Durchschnitt ein Bürgermeister in einer Stadt von 60.000 bis 100.000 Einwohnern bekommt". Auf den Vorschlag, in Deutschland mehr direkte Demokratie einzuführen, reagierte die Kanzlerin skeptisch. In der Politik seien "sehr komplexe Sachverhalte zu entscheiden". Diese Entscheidungen seien bei Bundestag und Bundesrat gut angesiedelt, da "kann man jetzt eigentlich nicht parallel immer noch das Volk befragen".

Der nächste Teil des Interviews soll am Montag kommende Woche ausgestrahlt werden. Am darauffolgenden Mittwoch will Merkel dann den Rest der zehn höchstbewerteten Fragen beantworten. (APA/AFP)