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Mit Hilfe der Zunge werden Klicklaute fabriziert und Dinge über das Klangmuster des Echos geortet.

Foto: APA/com-unit

"Ich bin hier, weil ich klicke", eröffnete Daniel Kish seinen Vortrag vor wenigen Tagen im Wiener Blindeninstitut. Der Kalifornier hat als Kleinkind sein Augenlicht verloren und findet mit Hilfe der Echolokalisation den Weg durch das Leben. 

Echolokalisation oder Echoortung ist aus der Tierwelt bestens bekannt. Fledermäuse, einige Flughunde, Wale, Delphine und Spitzmäuse besitzen diese Sinnesfähigkeit der Ultraschall-Orientierung. Die Fledermaus beispielsweise sendet Ortungslaute mit Hilfe ihres Kehlkopfes über den Mund oder die Nasenlöcher aus. Wale und Flughunde erzeugen Klicklaute mit ihrer Zunge. Treffen die ausgesendeten Schallwellen auf ein Hindernis, dann erkennen die Tiere über das Echo Distanz, Richtung, Größe, Form, Struktur und Eigenbewegung eines reflektierenden Objektes. Manche Fledermäuse können ihre Beute aus 300 Meter Entfernung nicht nur lokalisieren, sondern wissen sogar bei völliger Dunkelheit, ob ein Marienkäfer oder aber eine Stubenfliege ihren Weg kreuzt.

Bilder im Gehirn

Daniel Kish kann zwar keine Frequenzen im Ultraschallbereich wahrnehmen, ein Meister der Echoortung ist er trotzdem. Der 46-jährige Kalifornier ist seit seinem ersten Lebensjahr blind und hat gelernt mit den Ohren zu sehen. Mit Hilfe seiner Zunge fabriziert er Klicklaute und ortet Dinge über das Klangmuster des Echos. „Das Klicken ist, als ob man eine Frage stellt. Ich frage: Wo bist du, wer bist du, was bist du?", beschreibt Kish wie er mit seiner Umgebung kommuniziert. Dass man Häuser und Bäume hören kann, hat der „Fledermausmann" schon als Kleinkind erkannt. Im Laufe der Jahre hat er die Klick-Sonor-Technik allerdings perfektioniert. Heute erkennt Laternenpfähle aus fünf Metern Entfernung problemlos, fährt Mountainbike und wagt sich auch alleine in das Gebirge. 

Der Amerikaner ist kein Ausnahmetalent, denn die Echoortung ist für jeden blinden Menschen erlernbar. Je früher blinde Kinder jedoch spielerisch an diese Orientierungsmethode herangeführt werden, umso differenzierter lernt das Gehirn die feinen Echosignale in der Sehrinde zu Bildern zu verarbeiten. Wie gut der räumliche Eindruck der Umgebung mit dieser Technik tatsächlich funktioniert, zeigt ein Vergleich: Ein blinder Echoorter kann sich deutlich sicherer bewegen, als ein Mensch mit über sechs Dioptrien Kurzsichtigkeit ohne Sehhilfe. 

„Jeder mobile Blinde verwendet das in irgendeiner Form", erwähnte ein blinder Mann im Saal beiläufig. Nicht jeder ist sich dieser Tatsache jedoch auch bewusst. So auch der Amerikaner Juan Ruiz. Er verwendete die Echoortung ebenfalls unwissentlich, bis er Kish im Alter von 12 Jahren kennenlernte. Von ihm hat er alles darüber gelernt. Heute ist auch Ruiz ein Meister der Echoortung. 

Elektronisches Klick-Sonar

Wissenschaftler haben das Potential der Klick-Sonar-Technik ebenfalls erkannt und versuchen elektronische Hilfsmittel zu entwickeln, die effizientere Signale aussenden, als es die Zunge zu tun vermag. Bis diese Möglichkeit allerdings zur Marktreife gedeiht, müssen sich blinde Menschen auf ihre Zunge verlassen. Mit dem Finger zu schnalzen funktioniert nämlich nicht, denn als beweglicher Sender verändert sich die Entfernung zum Empfänger Ohr permanent. Im Gehirn werden daher unscharfe Bilder erzeugt. 

Daniel Kish unterrichtet seit 1996 blinde Schüler in der Technik der aktiven Echoortung (Klick-Sonar). Vor 11 Jahren gründete er die Organisation World Access for the Blind, mit der Vision vielen blinden Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. „Es ist an den Blinden, ihre Freiheit einzufordern", so Kish. Verzicht auf den Langstock bedeutet das aber nicht, denn dieses Hilfsmittel ermöglicht Blinden das Sehen auf kurze Distanzen und erleichtert das Ertasten von Unebenheiten. Klick-Sonar dagegen erlaubt die Wahrnehmung im Raum. Mit etwas Übung ist Basketballspielen und Radfahren für blinde Menschen dann kein Problem mehr. Und das ganz ohne Begleitung eines Sehenden oder eines Blindenhundes. (Regina Philipp, derStandard.at, 7.12.2011)