Diese Leute stecken hinter "Werner Failmann", dem satirischen Kanzler-Double auf Facebook und Twitter: Einer ist PR-Agenturbesitzer, einer Unternehmensberater und Hobbykabarettist und einer ist politisch tätig und war vor Jahren im Landesvorstand der SPÖ Wien.

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"Das Grundprinzip eines erfolgreichen persönlichen Twitter-Accounts ist, dass einem das Twittern auch selbst Vergnügen bereitet", schreibt einer, der es wissen muss. Der Politologe Hubert Sickinger ist einer der aktivsten österreichischen Twitteranten, mit knapp 4.000 Followern und über 14.000 Tweets.

Und er bringt mit dem Satz auf den Punkt, woran der Kanzler momentan scheitert. Denn so intensiv der Kanzler – und Österreich – auf seinen Einstieg in die Welt des Web 2.0 vorbereitet wurde, so verloren scheint er nun darin. Die Troika der neuen Selbstdarstellung mit Twitter, Facebook und YouTube ist kein weiterer Werbekanal, zumindest nicht, wenn es einem nur darum geht. Wobei der Kanzler das twittern und facebooken auch einem Team von neun Leuten überlässt – mit einem Budget von kolportierten und unwidersprochenen 200.000 Euro.

Failmann, das erfolgreiche Satire-Double outet sich zum Teil

Weit größere Resonanz erzielt Werner Failmann, der auf Facebook mit rund 6.000 Freunden um fast 2.000 mehr zählt als der echte Kanzler. Noch dazu befinden sich unter den überschaubaren "Friends" Faymanns auch einige Marionetten-Accounts, hinter denen keine realen Personen stehen und die immer wieder mit unkritischen Jubelmeldungen auffielen, wie das Magazin Datum herausfand. Ein aufgelegter Elfmeter für Failmann, der diese "Peinlichkeit auf Kosten der Steuerzahler" über Twitter weidlich auskostete.

Doch wer steckt hinter Failmann? Diese Frage stellt sich seit Wochen nicht nur die SPÖ-Zentrale, sondern auch eine Gruppe von Twitter-Usern wie ORF-Anchorman Armin Wolf oder Falter-Aufdecker Florian Klenk, die unter dem Hashtag #CSIFailmann der wahren Identität des falschen Kanzlers nachspüren. DER STANDARD hat sich nun mit Werner Failmann getroffen. Es stellte sich dabei heraus, dass hinter dem Account eine Dreier-Gruppe steckt, die unter der Zusicherung ihrer Anonymität zumindest ihre Berufe bekanntgaben: Einer ist PR-Agenturbesitzer, einer Unternehmensberater und Hobbykabarettist und einer ist politisch tätig und war vor Jahren auch im Landesvorstand der SPÖ Wien.

"Ich finde Faymanns Umgang mit Medien unerträglich. Seine Kleingeistigkeit ist für uns nur schwer zu ertragen und darum war es unsere Idee, dies in satirischer Form zu kritisieren", gibt ein Mitglied der Gruppe als Grund für die Failmann-Aktion an. Außer Zeit, Energie und Kreativität würde man für die Einträge auf Facebook und Twitter keine Aufwendungen haben. "In Wahrheit ebnen Faymann und Co. durch ihr Versagen Strache die Tür zum Kanzleramt, was wir mit allen Mitteln verhindern wollen", sagt Failmann Nummer 3. Was Faymann in den sozialen Netzwerken besser machen könnte? "Er sollte einfach einmal beginnen Politik zu machen. Wie man die verkauft ist sekundär", meint Nummer 2 unironisch. An ein Aufhören denken sie nicht, demnächst werde auch eine CD auf den Markt kommen. "Solange es Faymann gibt, wird es auch Failmann geben."

Was Persiflagen mit dem Boulevard gemein haben

"Politikerpersiflagen auf Twitter sind ein Selbstläufer'", erklärt Social Media Expertin Judith Denkmayr Geschäftsführerin der Social-Media-Agentur "Digital Affairs" den Erfolg Failmanns. Reichweitenstark seien diese Accounts aus demselben Grund, warum auch Boulevardzeitungen hohe Auflagen erzielen: "Man fühlt sich in seinen schlimmsten Annahmen über die handelnden Personen bestätigt."

Österreichische Politiker könnten grundsätzlich stark von den Social Media Plattformen profitieren, so Denkmayr. Man könne mit einer potentiell großen Anzahl an Menschen in Kontakt treten, diskutieren und deren Meinungen und Stimmungen erfahren, um Inputs für die eigene Aufgabe zu bekommen. Zusatzeffekt: "Man hat auch die Möglichkeit zum Agenda Setting, zur Darstellung der eigenen Ansichten, ohne die Interpretation durch die Vertreter der Medien - und auch ganz ohne dafür Inserate schalten zu müssen."

Strache als Facebook-Kaiser

Der erfolgreichste österreichische Politiker auf Facebook ist im Moment FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der bereits über 100.000 Freunde gesammelt hat – er ist damit auch der führende Politiker unter den rechten Parteien Europas, wie eine britische Studie kürzlich feststellte. Was diesen Erfolg im Vergleich zu Faymanns Auftritt ausmacht, erklärt Denkmayr so: "Strache bringt sich selbst ein, der Auftritt ist glaubwürdig und bringt für die Zielgruppe adäquaten, inhaltlichen Mehrwert. Beim Faymann-Auftritt hingegen fehlt der inhaltliche Mehrwert gegenüber anderen Kanälen."

Twittersphäre mit Politiker-Mangel

Im Unterschied zu Facebook ist die innenpolitische Debatte auf Twitter noch überschaubarer. Hier läuft die Debatte Zeit unter 200 bis maximal 2000 Usern, erklärt Julian Ausserhofer, Forscher des Studiengangs Journalismus und Public Relations an der FH Joanneum. Gemeinsam mit Axel Maireder und Axel Kittenberger, zwei Kollegen an der Uni Wien, arbeitet er im Moment an einer Netzwerk- und Diskursanalyse der innenpolitischen Twittersphäre in Österreich. Die Zahl der wirklich aktiven Twitter-User mag klein erscheinen, dies bedeute jedoch nicht, dass sie irrelevant wäre, denn im Zentrum des Netzwerks stünden Menschen, die die öffentliche Meinung prägen: Journalisten, professionelle Kommunikatoren und (noch wenige) Politiker.

Die Grünen sind im Moment auf Twitter am stärksten vertreten, jedoch kaum jemand aus der Parteiführung. Auch bei den anderen Parteien sind es meist die Kommunikatoren und Hinterbänkler, die twittern. Das BZÖ nimmt vor allem über Stefan Petzner aktiv an den Diskursen teil. Die SPÖ ist mit Christoph Matznetter und Hannes Swoboda vertreten, die in den Diskussionen aber nur Nebenrollen spielen. Bei der ÖVP und FPÖ sind so gut wie keine politischen Mandatare aktiv auf Twitter. Ausnahme-Erscheinungen bei der ÖVP sind ÖAAB-Chef Lukas Mandl und der ÖVP-Online-Verantwortliche Gerhard W. Loub.

Nachholbedarf

Im internationalen Vergleich zwitschert die heimische Innenpolitik sehr leise. In Skandinavien, Großbritannien, Australien oder den USA und vielen andern Ländern würden weit mehr Politiker Twitter nutzen. In Kanada gäbe es sogar Listen von Politikern, die noch nicht über einen Twitteraccount verfügen. "Vielen Politikern muss klar werden, dass Social Media nicht als geekiges Randthema abzuhaken sind. Soziale Medien sind ein gesellschaftliches Massenphänomen und deshalb muss man sich auch mit ihnen befassen." Man sollte soziale Medien nicht einfach als weiteren PR-Kanal verstehen. "Persönlichkeit, Emotion, Humor, auch Selbstkritik, sind wichtig, damit Menschen Interesse und Spaß daran haben, Politikern zu folgen und mit ihnen auch zu kommunizieren." Und was hat der Bürger davon? "Es können Meinungen und Ideen in Diskussionen eingebracht werden, an denen sich zentrale Akteure und Multiplkatoren des politischen Systems beteiligen. Das ist ein niederschwelliger Zugang zu Personen, an die man sonst nur schwer herankommt." (Rainer Schüller, Saskia Jungnikl, derStandard.at, 18.11.2011)