"Mr. Novartis" Daniel Vasella nahbar im Gespräch mit Barbara Heitger und Martin Engelberg. "Leadership revisited" eines prominenten Spitzenmanagers.

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Wer mit ihm gearbeitet hat, weiß: Die Redezeit war kurz, wer seine Anliegen und Botschaften nicht binnen weniger Minuten formulieren konnte, war draußen. Diesmal war sie lang, die Redezeit des eigentlich schon legendären Vorstandschefs des Pharma-Riesen Novartis, Daniel Vasella, in der Vorwoche im Standard in Wien. Vasella war Spitzenmanager der Fusion Sandoz und Ciba Geigy, 14 Jahre CEO der so entstandenen Novartis, in den Listen der bestbezahlten Manager und ist nunmehr mit 58 Aufsichtsratspräsident.

Mit Barbara Heitger (Heitger Consulting) und Martin Engelberg (Vienna Consulting Group) ließ Vasella sich in großer Offenheit auf eine Re-Visitation seiner Karriere ein. Das Resümee zu Beginn: Kompetenz, Ehrgeiz, intrinsische Motivation und Integrität seien die Ingredienzen einer Karriere - dazu auch die jeweilige Konstellation, soll heißen: "Wer ist die Konkurrenz und welche Alternativen haben die Entscheider?" Fatal sei, wenn Menschen denken, sie müssten sich in bestimmten Rollen auf bestimmte Art verhalten - dann sei man Gefangener seiner selbst. Zentral in Spitzenfunktionen sei, sich des expliziten, aber auch des impliziten Mandates bewusst zu sein: "Was wird gesagt, dass von mir erwartet wird - und was wird tatsächlich erwartet?" Letztlich aber, so der gebürtige Schweizer, der auch philantropisch tätig ist, halte man nur das durch, woran man wirklich glaube.

Wie man sich in einer solchen Position offenes und ehrliches Feedback hole? "Vergessen Sie das, das bekommen Sie nicht mehr, weil alle eine Agenda haben - und sei sie noch so klein." Vasella argumentiert mit der Notwendigkeit, eine Vertrauensatmosphäre zu schaffen vermittels eigener Ehrlichkeit und Integrität und auch im Benennen von Dingen, die nicht "gut" seien - das gebiete der Respekt, dennoch würden sich sehr viele Führungskräfte davor drücken.

Vom Mediziner zum Aufsichtsratspräsidenten

Ob er Vorbilder gehabt habe? Er habe an verschiedenen Menschen "etwas zu Akquirierendes" gefunden, die spannende Frage für ihn sei immer gewesen: Was macht es aus, dass er gut kann, was er tut? Daraus würden Facetten sichtbar, die es anzunehmen, abzustoßen oder zu integrieren gelte. Dies unter sehr genauer Selbstbeobachtung, ohne sich jedoch durch zu viel Introspektion der Aktionsfähigkeit zu berauben. Er habe in seinen zwei Jahren als Pathologe den Unterschied zwischen Beobachtung, Beschreibung und Interpretation gut gelernt, sagt Vasella, der zunächst als Mediziner tätig war, dann auch eine analytische Ausbildung absolvierte.

Ein großer Treiber sei für ihn "der Wunsch zu gestalten", was auch bedeute, Aggressionen auszuhalten und seine eigene aggressive - nicht destruktive - Seite im Sinne eines Konkurrenzwillens einzubringen. Vasella: "Man darf nicht darauf aus sein, geliebt zu werden - das wäre ein Rezept für Misserfolg." Und wichtig ist es, sich Folgendes im Bewusstsein zu halten: "Es gibt immer neue Konflikte und Probleme, ich kann nie alles lösen."

Wie er mit Projektionen und Anwürfen umgehe? Da geht es um Ertragen und Frustrationstoleranz, "um die Fähigkeit aufzunehmen und zu verdauen, es geht darum, nicht reaktiv zu handeln." Eng damit verknüpft ist für Vasella die Verführbarkeit in diesen Positionen (durch Lob, durch Geld, durch sexuelle Verführung): "Wenn man nur ein einziges Mal diesen Pfad geht, dann wird der Weg sehr glitschig, und das Ausrutschen geht schneller, als man denkt." Novartis habe zu diesen Themen "null Toleranz, das klingt vielleicht hart, schafft aber Ordnung".

Seine Antworten auf die Fragen der Balance zwischen Privatheit und Beruf? "Mich hat unerledigte Arbeit immer mehr belastet, als abends noch zu arbeiten", so Vasella. Aber: Jeder habe eine andere Work-Life-Balance, da müsse jeder seinen Rhythmus finden, und man solle den Leuten diesbezüglich ihre Freiheiten lassen. Und wie benennt er seine eigene intrinsische Motivation? "Die Lebenslust", kommt wie selbstverständlich die klare Antwort. (Karin Bauer, DER STANDARD, Printausgabe, 19./20.11.2011)