Der italienische Strickkonzern Benetton hat gute Erfahrungen mit Werbesujets, bei denen sich Menschen küssen: Vor etwa einem Jahrzehnt waren es zwei Nonnen beziehungsweise zwei Priester, die sich innig abschmusten. Weltweite mediale Aufmerksamkeit war Benetton sicher.

Bei der jetzigen Kampagne ist es nicht anders, nur dass die Modefirma, angeblich schuldbewusst, eines der Kusssujets wieder zurückziehen muss. Wenn sich das katholische Oberhaupt, Papst Benedikt XVI., und der Imam von Kairo, Ahmed el Tajeb, küssen, ist das so provokant, dass die riesigen Plakate - eines ganz in der Nähe des Vatikans - auf Betreiben der katholischen Kirche flugs wieder abgenommen werden müssen.

Natürlich ist die Zerknirschtheit, mit der Benetton auf den Ärger des Vatikans reagierte, aufgesetzt. Natürlich hat der Konzern mit Empörung - von welcher Seite auch immer - gerechnet. So etwas ist kalkulierter Teil einer Werbekampagne wie dieser. Die mediale Aufregung, die Diskussionen, die dadurch ausgelöst werden, sind in der Geschäftswelt bare Münze.

Die angebliche Provokation Benettons ist also keine. Nachdenklich macht jedoch die strikt ablehnende Reaktion der Kirche. Indem der Vatikan eine humorlose, ja intolerante Haltung gegenüber der Kussszene einnahm, ließ er sich erst recht vor den Werbekarren spannen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.11.2011)