Der Promifaktor in der Eden war immer hoch. Hier gibt Hausherr Heinz-Werner Schimanko unter Aufsicht von Sibylla Antel sein blankes Haupt der Zunge von Helmut Berger hin - weitere Bilder in dieser Ansichtssache.

Foto: Eden Bar

Wien - Legenden haben es leicht. Denn dieses Etikett befreit. Auch davon, dass alles, was erzählt wird, präzise sein muss: Dass die Wiener Eden Bar 2004 ihr 100-Jahr-Jubiläum feierte, gleichzeitig aber auch 2011 ein 100. Eden-Jahr ist - wen stört das? "Die Eden" ist eine Legende. Da hinterfragt man auch nicht, was heute noch dran ist am sprichwörtlichen "Reden in der Eden".

Wer über die Eden ein Buch schreibt, sollte aber tiefer schürfen. Darum war Christian Reichhold und Martin Niederauer klar, dass es mehr als Kalauer braucht, um in einem Buch dem Ort, seinem Ruf und nicht zuletzt seinem 2005 verstorbenen und - hier ist das Wort wieder - legendären Patron Heinz-Werner Schimanko gerecht zu werden.

Also taten die beiden Seitenblicke-Redakteure, was man Berufs-Adabeis gern abspricht: Sie hielten sich bei Die Eden (Amalthea) an Fakten. An Fotos. "Wir hatten das Glück, alle Fotos aus den Schaukästen der Eden zu finden", erklärt Niederauer. Reichhold ergänzt: "Es hätte ein Fotobuch werden können. Aber der Verlag wollte lieber ein richtiges Buch."

Von Albers bis Fitzgerald

Das brachte "viel Arbeit beim Weglassen". Doch so wurde aus einem kurzweiligen Bildband, in dem von Louis Armstrong über Romy Schneider, Percy Sledge, Hans Albers und Ella Fitzgerald bis zum jungen Albert von Monaco die Triple-A-Society der vergangenen Jahrzehnte auftritt, mehr: ein Buch, das durch Geschichten und Gschichterln Geschichte erzählt.

Denn was die Wiener dank der Legenden um Schimanko vergessen, ist, dass es die Eden gab, bevor der Besitzer von Moulin Rouge und Hotel Orient seinen Rolls Royce hier auf dem Gehsteig parkte. Kaum jemand weiß, dass einst eine Emmy Stein das Lokal führte, dass sie in der NS-Zeit wegen Kontaktes zu Juden eingekerkert wurde - und das Lokal einem treuen NSDAP-Parteigänger "zufiel". Wie Stein nach dem Krieg behandelt wurde: die Geschichte vom Umgang mit geraubtem Eigentum im Land der Täter.

Schimanko trat erst später, Mitte der 70er-Jahre, auf den Plan. Er kaufte das Lokal vom Spielsüchtigen Gabor Kenézy - das "Wie" wird wohl nie ganz ans Licht kommen: "legendär". Die Bar war lange einer der wenigen Orte, an denen Wien nicht am Ende einer Sackgasse lag. Provinziellen Mief konterte man hier von jeher mit Internationalität: Als Harry Belafonte Ende der 70er-Jahre wegen seiner Hautfarbe in Linz der Zutritt zu einer Diskothek verweigert wurde, lud Schimanko den Sänger demonstrativ in die Eden ein.

Ein Hort besserer Menschen?

War die Bar also ein Hort besserer, noblerer Menschen? Niederauer verneint: "Jeder Autohändler mit Geld konnte und kann kommen. Was die Eden anders machte, war, dass es nichts Vergleichbares gab." Das lag, so Reichhold, zuletzt auch an Schimanko: "Der war der Erste, der sich in Wien selbst als Marke inszenierte." Lauda und Lugner folgten. Heute versucht es jeder.

Genau das macht die Eden heute aber "zum Dinosaurier" (Reichhold) und "Museum ihrer selbst" (Niederauer). Ausgehen und die mediale Rezeption von "Gesellschaft" haben sich geändert: Heute düst ein Wanderzirkus an Möchtegernprominenz von Event zu Event. Mit Würde und Klasse hat das wenig zu tun. In der Eden dagegen schätzte und schätzt man es dann aber doch immer mondäner, kultivierter und diskreter. Denn das "Reden in der Eden" ist dann doch mehr als eine Legende. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, Printausgabe, 18.11.2011)