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Gasprom sitzt auf gewaltigen Gasreserven in der Abgeschiedenheit der sibirischen Tundra. Sie zu heben kostet Milliarden.

Foto: Reuters

Moskau - Nun ist es offiziell: Gasprom gibt heuer mehr Geld für Investitionen aus als der bisherige Spitzenreiter im Öl- und Gassektor, Petrobras. Die Russen lassen sich die Erschließung neuer Lagerstätten, den Bau weiterer Pipelines und Unternehmenskäufe rund 38 Milliarden Euro kosten. Das geht aus einem Memorandum hervor, das die Gruppe anlässlich der Herausgabe von Euro-Anleihen an Investoren verschickt hat.

Größter Kostenfaktor sind die Pipelines. Erst Anfang November hieß es "Gashahn auf" für das derzeit wohl ambitionierteste russische Pipelineprojekt Nord Stream. Der erste Strang der Ostseepipeline wurde im norddeutschen Lubmin in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Dmitri Medwedew feierlich eingeweiht.

Die Leitung kostet 7,6 Milliarden Euro, insgesamt investiert Gasprom in den Ausbau seiner Trassen heuer fast 20 Milliarden Euro. Das Problem: Die alten Lagerstätten sind erschöpft, neue Gasfelder liegen hoch im Norden, weitab der Zivilisation. Die Pipelines müssen daher oft in unwirtlicher Gegend über mehrere tausend Kilometer verlegt werden.

Vor allem auf Jamal, einer Halbinsel in der arktischen Karasee, sucht Gasprom sein Glück. Schätzungsweise 20 Prozent der russischen Erdgasvorräte lagern in dieser Region. Bis 2020 sollen Lagerstätten auf Jamal ein Viertel der Gasprom-Förderung absichern. Die Erschließung riesiger Gasfelder wie Bowanenkowskoje mit einer erhofften Förderleistung von 115 Milliarden Kubikmeter im Jahr (zum Vergleich: Österreich hat 2010 9,1 Milliarden Kubikmeter Gas verbraucht) werden daher mit Hochdruck voran getrieben.

Konkurrenzdruck in Europa

Die Projekte sind teuer und erhöhen die Kosten für die Gaslieferungen. "Auf dem europäischen Erdgasmarkt erwartet Russland harte Konkurrenz um Anteile und die Senkung von Förderkosten, wobei in Einzelfällen die Ausgaben für die Förderung von Gas in der Arktis, in Ostsibirien oder in Russlands fernem Osten höher sind als die Kosten von Lieferanten aus Asien, Afrika und der Pazifikregion", warnt daher Waleri Jasew, Präsident der "Russischen Gas-Vereinigung".

Prognosen, unter anderem von der Internationalen Energieagentur, rechnen damit, dass die Förderung in diesen Regionen in den nächsten 25 Jahren um rund 700 Milliarden Kubikmeter zunehmen wird. Zugleich wollen mehrere europäische Länder ihre Abhängigkeit von Russland im Gassektor durch die verstärkte Nutzung von Schiefergas verringern. Speziell Polen verbindet damit große Hoffnungen.

So sehen einige Experten den Anteil Russlands auf dem europäischen Markt in den nächsten Jahren deutlich schrumpfen. Ist Russland derzeit für mehr als ein Viertel der Gaslieferungen in Europa verantwortlich, so könnte sich die russische Portion auf die Hälfte verringern.

Gasprom hingegen will seinen Anteil in Europa eigentlich weiter ausbauen und hofft auf einen Wert um die 40 Prozent. Nicht umsonst versucht der russische Erdgasriese mit aller Macht das Projekt South Stream, das russisches Gas durchs Schwarze Meer nach Südeuropa und Österreich bringen soll, zu realisieren und gleichzeitig die Konkurrenz von Nabucco auszuschalten.

Um Druck zu erzeugen, verweist Moskau gern darauf, dass russisches Gas auch im Osten begehrt und Gasprom keineswegs auf Europa angewiesen sei. Doch noch laufen alle Projekte dorthin zäh. Mit China hat sich Russland bis heute nicht auf einen Preis für die Lieferungen geeinigt. Gasprom-Vize Alexander Medwedew spricht von Fortschritten, doch eine Einigung scheint noch weit. China will nicht die Preise zahlen, die Russland im Westen erzielt.

Auch die geplante Belieferung Südkoreas mit russischem Gas ist als Projekt heikel. Immerhin müsste die Pipeline über das verfeindete Nordkorea verlegt werden. Zudem kann Südkorea nicht die Lücke schließen, die ein drastischer Rückgang in Europa bei Gasprom reißen würde. (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 18.11.2011)