Sehnsüchtig schmachten die Streicher, als beständige Kraft klimpert das Klavier, die Gitarren jinglen und janglen. Zwölf Instant-Klassiker bietet "Mockingbird Time".

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Wie bestellt und nicht abgeholt sitzen sie am Cover ihres Durchbruchsalbums Hollywood Town Hall: auf einer alten Couch im Schnee, an einer Straße, die an einer verschlossenen Holzkirche vorbeiführt; vier Langhaarige mit Instrumentenkoffern. Es ist klar, dass es sich nicht um das Glamour versprechende Hollywood in Los Angeles handelt, die Jayhawks sitzen in der Pampa des US-Bundesstaats Minnesota, und es ist arschkalt da oben an der kanadischen Grenze.

Man schreibt das Jahr 1992 und Durchbruchsalbum ist ein großes Wort, denn Hollywood Town Hall war ein Slow Burner. Es sprach sich erst langsam rum, dass darauf eine Band unpeinlich die Tradition des Country-Rock fortführte, die große Stars des Fachs - die Eagles und andere Steher - an die Grenze der Unerträglichkeit und darüber hinaus geführt hatten. So richtig vergoldet wurde dieses Verdienst der Band erst bei der Veröffentlichung ihres nächsten Albums. Drei Jahre später erschien Tomorrow The Green Grass und etablierte die Jayhawks endgültig. Im selben Jahr kam das Debüt der ähnlich orientierten Band Wilco, die ihrerseits diese Tradition fortschrieben - wie die Jayhawks mit dem Erbe von Punk in der jeweiligen Biografie. Dass Mitstreiter beider Formationen später in der Promi-Band Golden Smog auftauchen sollten - Bingo!

Während Wilco in der Folge den Weg des Traditionalismus immer wieder verlassen sollten, blieben die Jayhawks rund um Gary Louris und Mark Olson bei ihrem Sound. Einem melodieseligen Entwurf, den Bands wie The Byrds in den 1960ern erfunden haben und zu dem die hellen Stimmen der Jayhawks-Sänger ebenso gut passen wie ihre Storys. Alles kreist hier beständig ums Fortgehen und Ankommen und darum, was derlei Veränderungen für Two Angels oder Two Hearts bedeuten. Sogar ein Song mit dem Titel Bad Time klingt nach bei den Jayhawks nach Good Times. Am vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere stieg Olson aus, um sich um seine kranke Frau, Victoria Williams, zu kümmern, die Band machte ohne ihn weiter, veröffentlichte beständig gute Alben.

2005 sagte man dann Adiós, nun ist ein Comeback-Album mit Mark Olson, Gary Louris, Marc Perlman, Karen Grotberg und Tim O'Reagan auf der Besetzungsliste erschienen. Wie es bei Traditionalisten üblich ist, hat sich wenig geändert. Louris und Olson tirilieren immer noch am Rande der (Herz-)Schmerz-Grenze über ewige Themen, die Teil des American Dream sind - oder ihm im Wege stehen. Doch selbst wenn sich ein Begehr nicht erfüllen lässt, bleibt die Grundstimmung optimistisch. Da steht sich die Band aus den Twin-Citys Minneapolis und Saint Paul quasi selbst im Weg. Sie kann gar nicht anders als poppige Melodien zu schreiben. Sehnsüchtig schmachten die Streicher, als beständige Kraft klimpert das Klavier, die Gitarren jinglen und janglen.

Zwölf solcher Instant-Klassiker bietet das Mockingbird Time betitelte Album. Das ist gleichzeitig das Einzige, was man der Band vorwerfen kann: ihre Berechenbarkeit. Andererseits wäre das wie Soul-Music Gefühle vorzuwerfen. Außerdem erweisen sich die Jayhawks in bester Spiellaune und sind in Stücken wie dem High Water Blues nachgerade scharf unterwegs. Das Einzige, was man ihnen nicht richtig abkauft, sind Balladen wie das Titelstück. Für wirklich düstere Songs sind ihre Stimmen einfach zu hell. (Karl Fluch  / DER STANDARD, Printausgabe, 18.11.2011)