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Zuletzt beim Ajax-Training: Chefcoach Frank de Boer (li) und sein Assistent Dennis Bergkamp im Stimmungshoch

Foto: APA/EPA/Kluiters

Amsterdam - Der Machtkampf bei Ajax Amsterdam geht in die nächste Runde: Nach der Verpflichtung von Louis van Gaal als Generaldirektor droht fast der gesamte Trainerstab, den amtierenden niederländischen Meister zu verlassen. In einem offenen Brief erklärte die sportliche Leitung mit den Coaches Frank de Boer, Dennis Bergkamp und Wim Jonk, dass alle Trainer der Ajax-Fußballschule "De Toekomst" (die Zukunft) den für fußballerische Angelegenheiten zuständigen Aufsichtsrat Johan Cruyff unterstützen. Der Vizeweltmeister von 1974, der erst im Juli neu in das Gremium gewählt worden war, hatte zuletzt den einstigen Weltklassestürmer Marco van Basten favorisiert.

Im Juni 2011 sei mit der Umsetzung der vom Aufsichtsrat beschlossenen und von Cruyff entwickelten Reformen begonnen worden, so die Trainer. Mit großem Erstaunen habe man deshalb die Entscheidung der vier Aufsichtsräte pro Van Gaal zur Kenntnis genommen. "Wir sind an dem Entscheidungsprozess überhaupt nicht beteiligt gewesen und haben alles aus den Medien erfahren. Das ist unseriös und nicht zu akzeptieren. Darum distanzieren wir uns von dieser Handlungsweise und rufen die vier Aufsichtsräte auf, dieses Thema mit uns intern zu besprechen", hieß es in dem Brief.

Ronald de Boer sprach von einem "Dolch in den Rücken von Cruyff". Auch Ex-Nationalspieler Marc Overmars hat sich auf Cruyffs Seite gestellt. Dieser zeigte sich besonders verärgert über seinen Aufsichtsratkollegen Edgar Davids, der gemeinsam mit den anderen Mitgliedern heimlich Gespräche mit Ex-Bayern-Trainer van Gaal geführt hatte. "Als Praktikant in der Jugendausbildung arbeitet er täglich mit den Trainern zusammen, und hinter unserem Rücken macht er sich für ein anderes System stark. Das geht gar nicht", wetterte Cruyff.

Der Aufsichtratsvorsitzende Ten Have bestätigte der Tageszeitung AD Sportwereld, dass das Quartett auf Initiative von Davids vier bis fünf intensive Gespräche mit Van Gaal geführt habe. Einen Vertrag habe dieser noch nicht unterschrieben, es seien jedoch verbindliche mündliche Zusagen getroffen worden. Angeblich soll der ehemalige Chefcoach, unter dem Ajax 1995 zum bisher letzten Mal die Champions League gewinnen konnte, einen Fünfjahresvertrag erhalten.

"Van Gaal steht noch in München bis Ende Juni 2012 unter Vertrag. Wir werden mit den Bayern über eine Vertragsauflösung sprechen. Dann wissen wir mehr", sagte Aufsichtrat Römer in einer TV-Talkshow. Außerdem habe man es eilig gehabt, weil Van Gaal und seine Frau in diesen Tagen eine längere Weltreise antreten, fügte er hinzu. Römer gab zu, dass man Cruyff bewusst nicht informiert habe.

"Ich habe zuerst an einen Scherz gedacht. Aber das war es nicht. Mit ihrer Aktion haben sie Ajax in Brand gesteckt. Das war unter der Gürtellinie", sagte der 64-Jahre alte Cruyff beim TV-Sender NOS in Barcelona. Er könne nicht begreifen, dass sich Menschen, die schon ewig lange für Ajax tätig sind, von Personen, die erst kurz für den Klub arbeiten, missbrauchen lassen. Die Aufstichtsräte Römer, Ten Have und Olfers waren erst im Sommer zum Rekordmeister gekommen, um Cruyff im Aufsichtsrat in nichtballtechnischen Angelegenheiten zu unterstützen.

Cruyff hatte den Auftrag erhalten, eine neue Direktion zusammenzustellen. Unterdessen haben die vier Aufsichtsräte vom erbosten 24-köpfigen Mitgliederrat für Freitag eine Vorladung erhalten, um ihr Vorgehen zu erläutern. Kritische Töne kamen derweil auch vom Hauptsponsor, einer Versicherungsgesellschaft. "Aus der Sponsorenposition ist klar, dass jegliche Unruhe schädlich ist", teilte das Unternehmen mit. Der Ajax-Aktienkurs reagierte am Donnerstag allerdings positiv auf die Neuigkeiten. Er stieg an der Amsterdamer Börse zwischenzeitlich um 3,9 Prozent auf 6,65 Euro pro Aktie. (sid/red)