Bild nicht mehr verfügbar.

Demonstranten vor dem Gefängnis, in dem der Blogger Alaa Abdel Fattah festgehalten wird.

Foto: AP/Nabil

Am Sonntag wurde seine Untersuchungshaft verlängert, am Dienstag präsentierte die Militärstaatsanwaltschaft "Beweise" gegen den bekannten ägyptischen Blogger und Twitterer Alaa Abdel Fattah, dessen Schicksal neben internationalen Menschenrechts-NGOs und Journalistenorganisationen auch das Uno-Hochkommissariat für Menschenrechte beschäftigt. Aber trotz des internationalen Interesses wollen ihn die Militärs anklagen, wegen seiner angeblichen Beteiligung an den Ausschreitungen in Maspero in Kairo, bei denen am 9. Oktober 27 meist koptische Demonstranten und ein Soldat - manche sagen, es waren viel mehr, aber die Armee versuche ihre Schwäche zu verschleiern - getötet wurden. Demnach sei Alaa Abdel Fattah, bekannt als @Alaa, dabei beobachtet worden, wie er an dem Abend einen Soldaten attackierte, Waffen stahl und diese danach in den Nil warf.

Abdel Fattah weist diese Anschuldigungen zurück. Zum angeblichen Zeugen, der sich als Mitglied der kleinen sozialdemokratischen Partei „Ägypten-Freiheit" bezeichnet, die zum großen Block "Die Revolution Vollenden" gehört - also sozusagen der "Guten", die gegen den Militärrat sind - bezeichnet, gibt es einige Fragezeichen. Laut der ägyptischen Tageszeitung Al-Masry al-Youm sagen einige Aktivisten der Partei, dass sie noch nie von Fahmy Abdel Aziz gehört haben. Allerdings kommt er aus einer anderen Provinz, dort kennt man ihn, distanziert sich aber von ihm.

Abdel Fattah wurde Ende Oktober festgenommen, weigerte sich jedoch vom ersten Moment an, vor der Militärstaatsanwaltschaft auszusagen: Er hatte schon vor der eigenen Verhaftung kritisiert, dass die Maspero-Unruhen vor einem Militärgericht landen sollten, schon allein, weil das Militär in die Zwischenfälle verwickelt gewesen sei und von einem Militärverfahren keine Objektivität zu erwarten sei. Abdel Fattah sprach sich aber natürlich stets auch prinzipiell gegen Militärprozesse gegen Zivilisten aus und kritisierte lautstark den Höchsten Militärrat, der das Land regiert. Später berichtete er aus dem Gefängnis, dass ihm die Militärs einen Deal vorgeschlagen hätten: Er würde freikommen, wenn er nie wieder Militärratschef Hussein Tantawi kritisiere. Das lehnte der Blogger ab. 

Der 30-Jährige stammt aus einer Familie mit einer großen Tradition des politischen Aktivismus -Alaas Vater ist Ahmed Saif al-Islam Hamed, ein prominenter Anwalt und Menschenrechtsaktivist, der selbst in den 1980er Jahren ein paar Jahre im Gefängnis war. Seine Mutter ist Laila Suaif, eine Mathematik-Professorin an der Universität Kairo: Sie trat vergangene Woche gegen die Inhaftierung ihres Sohnes in den Hungerstreik, dem sich etliche Freunde der Familie anschlossen. Die Tante (Schwester der Mutter) ist Ahdaf Suaif, eine bekannte Schriftstellerin, und seine Schwester Mona hat die Gruppe „Nein zu Militärprozessen für Zivilisten" gegründet.

Abdel Fattahs Frau steht ihm in nichts nach: Manal Husseins Vater ist einer der Gründer der ägyptischen Menschenrechtsbewegung und heute Chef des Kairo Zentrum für Menschenrechtsstudien. Alaa und Manal haben bereits 2004 ihren Blog www.manalaa.net gestartet, für den sie 2005 einen Preis der Deutschen Welle erhielten. 2006 wurde er bei einer Demonstration für eine freie Justiz verhaftet, 2008 verließen er und Manal Ägypten und lebten in Südafrika: Sofort nach Ausbruch der Revolte kam er zurück und verbrachte seine Tage und Nächte auf dem Tahrir-Platz.

Dass noch immer so viele Zivilisten vor dem Militärgericht landen - Statistiken sprechen von bis zu 12.000 seit dem Sturz Hosni Mubaraks - ist einer der ganz dunklen Flecken des "neuen" Ägypten. Neben Alaa Abdel Fattah gibt es einen zweiten Blogger-Fall, der internationale Aufmerksamkeit erregt: Maikel Nabil wurde im April von einem Militärgericht wegen Beleidigung der ägyptischen Armee zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Nabil ist im Hungerstreit und wurde inzwischen in eine Klinik eingewiesen, seine Familie und seine Freunde fürchten für sein Leben. Am 27. November wird sein Fall wieder verhandelt, und wieder vor einem Militärgericht. Am 28. November findet in Ägypten die erste Runde der Parlamentswahlen statt, die das Land in die Demokratie führen sollen. Gleichzeitig versucht die Armee, ihre eigene Sonderrolle in „suprakonstitutionellen" Prinzipien festzuschreiben. Das sieht nicht gut aus. (derStandard.at/16.11.2011)