Rykarda Parasol wird Ende kommender Woche beim Blue Bird Festival durch ihre Film-noir-affinen Balladen schweben. Robert Mitchum hätte zufrieden zwei Drinks bestellt.

Foto: Blue Bird

Wien - Paula Frazer und Rykarda Parasol sind Geistesverwandte. Frazer schlafwandelte mit der Band Tarnation durch Country-Balladen, die als Soundtrack jedem Italowestern zur Ehre gereicht hätten. Parasols Interesse liegt hingegen näher beim Film noir - Rock Noir nennt sie ihre Musik, ihr aktuelles Album titelt durstig For Blood and Wine.

Die abgründigen Geschichten in ihren Songs durchschreitet sie mit der Nonchalance Unheil versprechender Damen, wie sie Robert Mitchum oder Humphrey Bogart in ihren Filmen an- und auszogen. Mitch und Bogey werden im Wiener Porgy & Bess nicht erwartet, aber Rykarda Parasol wird beim jährlichen Singer-Songwriter Festival Blue Bird zu erleben sein. Dessen siebte Austragung findet vom 24. bis 26. November statt und bietet ein Programm mit heimischen und internationalen Namen aus dem Alternative-Segment des Fachs. Veranstalter ist der ORF-Redakteur Klaus Totzler, der mit dem Team der Vienna Songwriting Association ganzjährig einschlägige Konzerte veranstaltet.

Rykarda Parasol wird am zweiten Tag des Festivals auftreten, die Frauen wie die kanadische Akkordeonspielerin Wendy McNeill mit ihrer Band, Folkie Cherilyn McNeil alias Dear Reader sowie Carla Bozulich's Evangelista dominieren. Zwischen beschwipstem Folk und Reform-Country wirkt dieser Abend wie eine sichere Bank.

Aber schon der erste Tag hält einen Höhepunkt parat: das Projekt L/O/N/G von Rupert Huber und Chris Eckman. Den Pianisten Huber kennt man aus dem Downtempo-Genre, in dem er mit Richard Dorfmeister als Tosca reüssierte, Eckman ist Chef der US-amerikanischen Alternative-Band The Walkabouts. Deren Song Devil in the Details ist Fernsehbesitzern im deutschsprachigen Raum aus der dort gezeigten Werbung des Outdoor-Wear-Ausstatters Jack Wolfskin bekannt - trotzdem sollte man deshalb nicht gleich mit Steinen werfen.

Als L/O/N/G veröffentlichten die beiden heuer das Album American Primitive, auf dem sie zwischen formal spannenden Rockstücken und atmosphärischen Songs lustwandeln. Elektronische Rhythmen und die flirrende Gitarre Eckmans steuern ins Abendrot am Ende eines Highways abseits gängiger Klischees. Schon das Titelstück legt den Konzertbesuch dringend nahe.

Großzügige Deutung

Man merkt schon, der Begriff Singer-Songwriter wird vom Blue Bird Festival großzügig gedeutet. Es gilt nicht nur, wer allein über die Gitarre gebückt Tagebucheintragungen vorträgt - das wäre ruinös -, es zählen auch Bands, deren Songwriting im Hause Blue Bird Beachtung verdient.

Als gut abgesicherte Einschätzung kann die Aufnahme der britischen Band Tunng ins Programm betrachtet werden. Auch deren Musik ist aus dem Fernsehen bekannt, zumindest für Seher der US-amerikanischen Serie Weeds - Kleine Deals unter Nachbarn. Ihr Song Bullets war dort zu hören und verhalf der Band mit ihrem elektronisch durchwirkten, filigran zirpenden Folk zu größerem Erfolg.

Am letzten Tag gibt es auch ein Wiedersehen mit der Londoner Band Flotation Toy Warning, deren zweites Album nun endlich erscheinen soll. Das Quartett rührte uns Mitte der Nullerjahre mit seinem Debüt Bluffer's Guide To the Flight Deck zu Tränen. Darauf sang Paul Carter mit großen Augen und dem unumstürzlichen Glauben ans Christkind ein paar der traurig-schönsten Lieder des letzten Jahrzehnts und wurde damit zumindest in Wien weltberühmt. (Karl Fluch, DER STANDARD/Printausgabe 17. November 2011)