Wien - Der Deutschunterricht ist in einer zunehmend multikulturellen und mehrsprachigen Gesellschaft besonders gefordert. Die Frage, wie der Unterricht nicht nur Deutsch als Muttersprache, sondern auch als Zweitsprache vermitteln kann, stellt sich das Österreichische Kompetenzzentrum für Deutschdidaktik (AECC) in einem heute, Mittwoch, beginnenden Kongress aus Anlass seines fünfjährigen Bestehens. Werner Wintersteiner, Leiter des AECC an der Uni Klagenfurt, fordert im Gespräch mit der APA nicht nur Veränderungen der Rahmenbedingungen, sondern auch des Bewusstseins von Lehrern. 

"Bis jetzt hat man gedacht, Deutschunterricht bedeutet Unterricht in der Muttersprache der meisten Kinder, wo man ein paar Seiteneinsteiger schlucken kann", so Wintersteiner. "Inzwischen ist das - vor allem in Wien - nicht mehr der Fall." Mehrsprachige Klassen sind häufig bereits die Regel, viele der heute eingeschulten Kinder haben eine andere Muttersprache und beherrschen Deutsch je nach Aufwachsen unterschiedlich gut, so der Deutschdidaktiker. Allein in Wien haben laut Statistik Austria 42 Prozent aller Schüler eine andere Umgangssprache als Deutsch - in Volksschulen sind es sogar 52 Prozent, an Hauptschulen 63 Prozent. 

Umdenken notwendig

Für Wintersteiner ist das Umdenken der Schule eine notwendige Konsequenz dieses "vielfältigen und komplexen Phänomens". "Das bedeutet abgesehen von zusätzlichen Förderungen zum Erlernen der deutschen Sprache auch einen Unterricht von Deutsch als Zweitsprache generell." Derzeit gebe es weder Unterrichtsmaterialien noch eine geeignete Lehrerausbildung, um diese Vorstellung zu verwirklichen. Er sieht daher auch die angekündigte neue Lehrerausbildung gefordert, notwendige Kompetenzen zu vermitteln - was jedoch auch mit "einer gewissen Bewusstseinsänderung der Lehrkräfte einhergehen muss".

Künftig sollen Lehrer "nicht nur lernen, einen gewissen Stoff zu vermitteln, sondern müssen auch diagnostische Fähigkeiten entwickeln", betont Wintersteiner - also erkennen, "inwieweit Schüler in der Lage sind, den Stoff zu verinnerlichen und sich jene Kompetenzen anzueignen, die man in einer modernen Welt braucht".
Für die Schule selbst gebe es bereits einzelne Best-Practice-Modelle, etwa in Deutschland die "zweisprachige Alphabetisierung", also das gleichzeitige Erlernen des Buchstabenkanons in Deutsch sowie in einer davon abweichenden Muttersprache. Eine Übernahme dieser Maßnahme in den Regelunterricht sei jedoch schwierig, funktioniert diese immerhin nur dann optimal, "wenn es große Gruppen von Kindern einer Muttersprache gibt", so Wintersteiner. In Österreich hebt er das "System des Sprachenaustausches" hervor: "Das bedeutet, dass man in der Schule Unterricht in der eigenen Muttersprache erhält und zusätzlich Deutsch als Fremdsprachenunterricht besuchen kann" - ein Ansatz, "den man auch bei der neuen Reifeprüfung andenken sollte". 

Nach dem bis Freitag dauernden Kongress des Kompetenzzentrums, der sich unter dem Motto "Sprach(en)lernen in einer Welt der Verschiedenheiten" generell einer Neuausrichtung des Deutschunterrichts annimmt, will die Uni Wien ein "positives Zeichen zur Mehrsprachigkeit" setzen. Am Mittwoch (23. November) veranstaltet die Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät unter dem Titel "Mehrsprachigkeit leben - in Forschung und Lehre" einen Aktionstag. (APA)