Bagdad - Ein Konvoi gepanzerter Fahrzeuge - die Eskorte, die Außenminister Michael Spindelegger am Dienstagabend (Ortszeit) bei seine Ankunft in der irakischen Hauptstadt erwartete, zeigte es an: Das Sicherheitsrisiko im Irak ist nach wie vor enorm. Ende des Jahres sollen dann auch noch die letzten der rund 40.000 im Land verbliebenen US-Soldaten das Land verlassen. Bleibt ein Vakuum zurück? "Das ist, was alle befürchten", meinte Spindelegger auf dem Hinflug. Er wolle sich aber eben selbst ein Bild von der Lage machen.
Treffen mit Staatspräsidenten
"Mulmig" sei ihm dabei nicht, so der Vizekanzler, "obwohl es nicht lustig ist." Mit Gesprächspartnern wie dem Staatspräsidenten Jalal Talabani und Regierungschef Nuri al-Maliki (beide am Mittwoch) habe er aber auch die richtigen Personen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Immerhin sei der Irak ja auch ein Nachbarland des von Unruhen gegen Machthaber Bashar al-Assad erschütterten Syrien.
Bilaterale Beziehungen auf "andere Beine stellen"
Außenminister Spindelegger wird Präsident Talabani im Auftrag von Bundespräsident Heinz Fischer offiziell nach Österreich einladen. Schließlich soll der Besuch auch dazu dienen, die bilateralen Beziehungen "jetzt auf andere Beine" zu stellen. Die Zeit sei reif dafür, meinte Spindelegger. Der letzte Besuch eines österreichischen Außenministers im Irak liege bereits mehr als 20 Jahre zurück.
"Enorme Entwicklung" bei Handel
Dass bei seiner Visite wirtschaftliche Aspekte eine führende Rolle spielen, liegt für Spindelegger auf der Hand. Gerade in den vergangenen Monaten habe der Handelsaustausch zwischen Österreich und dem Irak eine enorme Entwicklung durchgemacht. "In den ersten Monaten gab es ein unglaubliches Plus an Importen, sie sind um 530 Prozent gestiegen. Die Exporte um 150. Da tut sich etwas, das müssen wir nutzen", betonte der Vizekanzler, der von einer rund 30-köpfigen Wirtschaftsdelegation mit WKO-Vizepräsident Richard Schenz an der Spitze begleitet wird. Der Import besteht fast ausschließlich aus Erdöl. Für 2011 wird insgesamt ein Handelsvolumen von 600 Millionen Euro erwartet. Das wäre ein Zuwachs von 330 Prozent gegenüber 2010.
Partnerschaftsabkommen mit EU
Die EU habe am Montag mit dem Irak Partnerschafts- und Kooperationsabkommen unterzeichnet, erinnerte Spindelegger. Das seien die "Voraussetzungen, wie man künftig stärker miteinander arbeiten will". Dabei müssten neben den wirtschaftlichen Aspekten auch Themen wie die Menschenrechte angesprochen werden. Das betreffe im Fall des Irak etwa die Forderung nach Abschaffung der Todesstrafe. "Es geht um all diese humanitären Dinge, die uns in der EU als Wertegemeinschaft wichtig sind."
Christenverfolgung ansprechen
Ein besonderes Anliegen ist dem Minister auch das Thema "Christenverfolgung, die auch im Irak stattfindet". Dieses Thema werde er "entsprechend stark ansprechen". Neben direkten Verfolgungen gehe es auch um die "schrittweise Unterdrückung einer religiösen Minderheit": "Es sind viele Christen ausgewandert, weil sie im Irak keine Chance sehen, weil sie nicht zugelassen werden zu speziellen Ämtern in öffentlichen Diensten. Das kann man so nicht akzeptieren." Die Anzahl der im Irak lebenden Christen hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins auf rund 400.000 halbiert. Daher will Spindelegger von der Regierung in Bagdad ein stärkeres Engagement bei der "Verfolgung jener" fordern, "die Christen verfolgen".
Für diplomatisches Stirnrunzeln sorgte in diesem Zusammenhang der Umstand, dass ein ursprünglich für Dienstagabend angesetztes Treffen mit dem Patriarchen von Babylon, Emmanuel III. Delli, dem Oberhaupt der mit Rom unierten chaldäischen Christen im Irak, kurzfristig abgesagt wurde. Die Begründung, dass der Kardinal mit 84 Jahren zu alt für ein Treffen sei, wollte Spindelegger nicht wirklich geltenlassen. Er beharrte allerdings gegenüber den irakischen Gastgebern auf eine Begegnung mit dem Patriarchen. Diese wird nun voraussichtlich Mittwoch früh stattfinden.
Für den Fall, dass es wieder Probleme geben könnte, gab sich Spindelegger kämpferisch: "Dann fahren wir eben zu seiner Residenz und besuchen ihn dort, damit er uns etwas über die Lage erzählt." Nachsatz: "Wir müssen aber natürlich aufpassen, dass wir den christlichen Vertretern mit unserem Besuch nicht schaden." (APA)