Wenig befahrene Landstraßen der USA: James Bennings "Small Roads" fotografiert 47 von ihnen.

Foto: Österreichisches Filmmuseum

Bereits 1975 fertigte US-Künstler James Benning einen Film, der sich seinem Land über die Straße nähert: Er hieß The United States of America und zeigt den Regisseur als Autofahrer (mit Freundin am Nebensitz) während einer Ost-West-Durchquerung der Staaten. Die Super-8-Kamera ist am Hintersitz montiert und filmt wechselnde Landschaften durch die Windschutzscheibe, Zeitgeschehen und Score steuert das Radio bei.

Über 35 Jahre später hat Benning, längst einer der wichtigsten US-Experimentalfilmemacher, wieder eine Arbeit über Straßen realisiert. In Small Roads, der während eines viertägigen Spezials im Filmmuseum als Weltpremiere läuft, gibt es keinen übergeordneten Weg mehr. Die Kamera ist stets an Straßenrändern platziert und öffnet den Bildausschnitt zu einer Landschaft, in der die Straße die Komposition bestimmt - gleich einer Linie, nach der sich der Raum zu ordnen scheint.

Umgekehrt ließe sich jedoch auch sagen: Kleine Straßen passen sich der Umgebung an, egal ob sie nahe an einem Abgrund entlanglaufen, kerzengerade sind oder sich über Hügel schlängeln. In Bennings ruhigen Einstellungen kommt die Zeit (abgesehen von Wolken) über Autos ins Bild, der Ton fährt immer voraus, das Gefährt wie ein Vektor hinterher. In der Summe erschließt sich hier eine abwechslungsreiche Kulturlandschaft, die weniger von mobiler Privatisierung als von einer erschlossenen Welt erzählt, die trotzdem im Abseits steht.

Benning dreht seit einiger Zeit auf HD - der erste Film in dieser Technologie war Ruhr (2009), den das Filmmuseum neben einer Reihe weiterer Premieren zeigt: Etwa Two Cabins, ein Film über Blockhäuser (und ihre einzelgängerischen Bewohner), zu dem auch ein Buch erschienen ist, oder YouTube Trilogy: 4 Songs, History, Asian Girls, dem ersten Found-Footage-Film Bennings, der sich für das Moment der Selbstbespiegelung des Internetformats interessiert und daraus eine Art Kompendium gegenwärtiger Eigenartigkeiten erstellt. (kam, DER STANDARD - Printausgabe, 16. November 2011)