Banges Warten auf das Ungewisse: Angeklagter Elmar Völkl im Landesgericht Wiener Neustadt

Foto: Thimfilms

Verteidigung und Anklage: Anwalt Michael Dohr, Staatsanwalt Wolfgang Handler (v.li.)

Foto: Thimfilms

Männer mit Jagdgewehren brüllen. "Ihr Trotteln", "ihr Depperten". "Wir brauchen wieder einmal einen Hitler", sagt einer. Niemand widerspricht. Alles ist auf Film festgehalten - Beweismaterial für einen Strafprozess. Nicht der nazisympathisierende Jäger ist es, der angeklagt wird, sondern die, die ihn gefilmt haben: AktivistInnen der Tierrechtsbewegung. Ein Jahr lang standen sie vor Gericht, ein Stück österreichischer Justizskandalgeschichte. Igor G. Hauzenberger hat den Prozess dokumentiert - sein gleichnamiger Film ist ab 25. November im Kino zu sehen.

Im Wald beim Spielen

"Der Prozess" ist nicht einfach nur eine Doku über das Wiener Neustädter Strafverfahren gegen 13 TierrechtlerInnen: Hauzenberger begleitet die AktivistInnen bei ihrer Arbeit, plaudert mit ihnen im Wohnzimmer, im Hochgebirge, am Waldbach beim Spielen mit den Kindern, bei der nachgestellten Schweine-Kreuzigung in der Innsbrucker Altstadt. Als Kontrapunkt interviewt er ParlamentarierInnen und zwei Justizministerinnen. Zwei Mal lässt sich der Filmemacher selbst dabei zeigen, wie er mit einer Sprecherin des Innenministeriums telefoniert: "Wir geben keine Stellungnahme ab", sagt diese. "Heißt das, niemand im Ministerium ist zu einem Interview mit mir bereit?" - "Nein", antwortet die Sprecherin, "wir geben keine Stellungnahme ab."

Es mag redundant erscheinen, dass Hauzenberger die Szene zwei Mal zeigt. Doch charakterisiert es seine Herangehensweise. Seine Technik ist die eines Journalisten, verschiedene Seiten zu zeigen ist ihm wichtig. Dass eine Seite fehle, betont er, liege nicht an ihm, sondern an der Weigerung der Polizei und der Innenministerin, mit ihm zu sprechen.

Redefreudiger zeigt sich da schon die damals zuständige Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Ob der Paragraf 278a StGB den Staat Österreich sicherer mache? "Grundsätzlich glaube ich nicht,  dass Österreich dadurch sicherer geworden ist", sagt Bandion-Ortner, "aber die Bestimmung hat schon ihren Sinn und Zweck." Eine bemerkenswerte Aussage, die nachdenklich machen sollte.

Mafiosi

Viel wird im "Prozess" zwischen den Zeilen erklärt. Man sieht einen mutmaßlichen Schwerkriminellen, den Angeklagten Felix Hnat, wie er einem leicht überforderten Landpolizisten etwas über "Vollzugsdefizte" erläutert. "Wir würden uns wünschen, dass die Exekutive hier einschreitet", sagt Felix Hnat, und zeigt auf die illegale Hühnerfabrik im Hintergrund. So sehen Mafiosi aus?

Man sieht eine verwunderte Sabine Koch, Hundetrainerin und der Nötigung angeklagt, wie sie einen Auszug aus dem Strafantrag in Händen hält. "Was da über mich geschrieben wird, das stimmt alles", sagt sie leise. "Aber ich weiß nicht, was daran strafbar sein soll."

Man sieht den Erstangeklagten Martin Balluch beim Schitourenwandern, als er Schokowaffeln mit seinem Hund teilt, und ängstlich zuckt, weil er ein Donnergrollen hört. "Ich hab‘ gedacht, das wär eine Lawine", sagt er, "aber es war nur ein Sturm."

Es fasziniert, wie es Hauzenberger, der die angeklagten TierrechtlerInnen drei Jahre lang begleitet hat, gelungen ist, seine immense Masse an Material zu einem stimmigen, in sich geschlossenen und trotz seiner Komplexität verständlichen Werk zu verdichten.

Am Tatort

"Der Prozess" ist ein Lehrstück. "Es gibt Bürgerstrafrecht, und es gibt Feindstrafrecht", erklärt die Linzer Strafrechts-Professorin Petra Velten. Wie schnell es in Österreich passieren kann, dass BürgerInnen zu FeindInnen werden, zeigt der Film eindrücklich. Das alles basiert auf geltendem österreichischen Recht. "Wir sind ja hier am Tatort, wenn man das so sagen will", spricht SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim in die Kamera. Der Ort, wo er steht, ist das österreichische Parlament. (Maria Sterkl, derStandard.at, 15.11.2011)