Ex-Staatsanwalt Georg Krakow berät nun Unternehmen, wie sie sich vor Strafverfolgung schützen können - durch Compliance.

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Jahrelang hat Georg Krakow als Staatsanwalt - bekannt vor allem durch den Bawag-Prozess - Topmanager wegen Wirtschaftskriminalität angeklagt und als Kabinettschef von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner von 2009 bis 2011 den Aufbau der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) vorangetrieben.

Nun hat der 45-jährige Spitzenjurist die Seite gewechselt: Als Senior Counsel bei der internationalen Sozietät Baker & McKenzie in Wien soll er Unternehmen beraten, wie sie sich durch die Einführung funktionierender Compliance-Systeme rechtzeitig vor Strafverfolgung schützen.

Gespür der Gesellschaft

Angesichts der Flut von Korruptionsaffären in Österreich scheint der Bedarf hier sehr groß. Allerdings ist Krakow überzeugt, dass nicht die Korruption, sondern die Sensibilität gewachsen ist. "Das Gespür in der Gesellschaft ist gestiegen und steigt weiter", sagt Krakow im Standard-Gespräch. "Vielleicht hat man im vorigen Jahrhundert noch weggeschaut, aber das wird heute immer weniger akzeptiert. Weder die Welt noch Österreich sind korrupter geworden, aber es kommt nun mehr ans Tageslicht."

Krakow verweist auf eine aktuelle Umfrage vom Karmasin-Institut für Die Presse, wonach 73 Prozent der Österreicher Korruptionsfälle für den Vertrauensverlust in die Politik verantwortlich machen. Auch die Medien würden in solchen Fällen härter recherchieren, es gebe immer mehr "Whistleblower", und neue gesetzliche Instrumente wie das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz oder die Kronzeugenregelung würden die Strafverfolgung erleichtern. Auch der Aufbau der WKStA werde die Schlagkraft der Justiz erhöhen.

Entscheidend aber sei es, dass Unternehmen selbst begreifen, dass Gesetzesverletzungen ihnen mehr schaden als nützen. Krakow: "Man muss sich nur den Fall Olympus anschauen, wo Bilanzen frisiert wurden. Der Börsenkurs ist zusammengebrochen. Und auch der Telekom Austria geht es nicht besser, seit ihre Praktiken in der Öffentlichkeit diskutiert werden."

Ein Gesinnungswechsel ist bereits voll im Gang, zeigt sich Krakow überzeugt. Jeder Fall würde das Bewusstsein innerhalb der Betriebe schärfen. Genauso wie alle Unternehmen Controlling-Systeme eingeführt hätten, die Qualität der Bilanzlegung verbessert worden sei und kein größerer Konzern ohne Nachhaltigkeitsbericht mehr auskomme, so würden auch Compliance-Systeme, die Bestechung und andere Delikte verhindern sollen, immer mehr zur Norm werden. Das geschehe im Interesse der Unternehmen und ihrer Eigentümer, denn der finanzielle Schaden durch aufgedeckte Wirtschaftskriminalität sei enorm - neben den Strafen vor allem der Reputationsverlust, sagt Krakow.

Gefährdete Ehrlichkeit

Systematische Bestechungspraktiken würden zwar kurzfristig Vorteile bringen, aber sie machten Unternehmen auch erpressbar und gefährdeten die Ehrlichkeit im Betrieb. "Wenn ich Mitarbeitern Bestechung erlaube, dann werden sie dieses Verhalten als normal empfinden und sich fragen, ob sie das nicht auch zum eigenen Vorteil anwenden können", glaubt Krakow. Der Verzicht auf Bestechung mache Unternehmen profitabler, denn es zwinge Mitarbeiter dazu, sich wieder mehr mit dem Produkt zu beschäftigen.

Für Krakow sind funktionierende und gelebte Compliance-Systeme, in denen Fehler rasch aufgedeckt werden, auch ein hervorragender Steuerungsmechanismus, der dem Management Rückmeldungen aus dem Unternehmen liefert. "Beim Controlling geht es um Zahlen, in der Compliance um den Faktor Mensch." Deshalb sollten die Investitionen in Compliance - also die Einsetzung von Compliance-Beauftragten, Mitarbeiterschulungen und Risikoanalysen - weniger als Kostenfaktor denn als Chance gesehen werden. Entscheidend seien weniger Bekenntnisse von oben als die effektive Umsetzung auf allen Ebenen.

Das gelte auch für die Gesetzgebung. Krakow sieht wenig Bedarf für weitere legistische Verschärfungen. Wichtiger sei es, dass bestehende Gesetze wirksam umgesetzt werden. (Eric Frey, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 16.11.2011)