Eine Entschuldigung des syrischen Außenministers Walid al-Mualem konnte die türkische Führung nicht beruhigen. Mualem bedauerte am Montag den Sturm von Demonstranten auf ausländische Botschaften in Damaskus am vergangenen Wochenende, darunter auf die türkische Vertretung in Damaskus sowie die Konsulate in Aleppo und Latakia.

Ankara hatte daraufhin am Sonntag alle Familienangehörigen von Botschaftsmitarbeitern ausfliegen lassen, dem syrischen Geschäftsträger eine Protestnote überreicht und eine Reisewarnung für das Land abgegeben, das bis vor kurzem noch als Modell für die neue türkische Außenpolitik der Öffnung zu den Nachbarn galt.

Außenminister Ahmet Davutoglu lud Sonntagabend auch demonstrativ zum zweiten Mal Vertreter des Syrischen Nationalrats, des Bündnisses der syrischen Opposition, zum Gespräch ins Ministerium ein. Dabei kam auch die schon länger beabsichtigte Eröffnung einer offiziellen Vertretung des Nationalrats in Istanbul oder Ankara zur Sprache, ohne dass aber eine Entscheidung bekanntgemacht wurde.

Davutoglu ließ dem syrischen Regime allerdings wenig Spielraum: "Wir unterstützen die gerechten Forderungen des Volks, und wir werden die notwendigen regionalen und internationalen Foren mobilisieren, um diesem Druck Syriens entgegenzuwirken", kündigte der türkische Außenminister am Montag an.

Sanktionen und Schutzzone

Über die zunehmend scharfe Rhetorik gegen Bashar al-Assad hinaus sind konkrete Schritte der türkischen Regierung wie die angekündigten Wirtschaftssanktionen oder gar die Einrichtung einer "Schutzzone" an der türkisch-syrischen Grenze bisher jedoch ausgeblieben. Politische Beobachter in der Türkei glauben, die Regierung in Ankara wolle warten und insbesondere der Arabischen Liga Zeit geben, eine Position gegenüber Syrien zu formulieren. Das ist mit dem Beschluss der Suspendierung des Gründungsmitglieds vergangene Woche geschehen. Auch Davutoglu wird morgen, Mittwoch, in Rabat sein, wo sich die Mitglieder der Liga zum Sondergipfel treffen.

Parallel zur Syrienkrise bereitet das Nachbarland Iran der türkischen Regierung Kopfzerbrechen. Davutoglu reagierte vorsichtig auf den jüngsten Bericht der IAEO und sprach von "schwierigen technischen Details". Die Atombehörde wie die iranische Führung sollten ihre Kenntnisse offenlegen, was diplomatisch formuliert einer Aufforderung an Teheran gleichkam. Die USA honorierten Ankaras Position in der Syrien- und Iranfrage. Sie stationierten erstmals vier "Predator"-Drohnen auf der Militärbasis von Incirlik. Die Drohnen sollen im Kampf gegen die PKK eingesetzt werden. (Markus Bernath aus Istanbul, DER STANDARD-Printausgabe, 15.11.2011)