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Vielen reicht's: Ende März demonstrierten Tausende in Graz gegen die Landespolitik.

Foto: APA/Leodolter

Graz/Wien - "Da entwickelt sich etwas", sagt Yvonne Seidler. Auch wenn es momentan etwas ruhig um die Bewegung geworden sei: "Wir bauen unsere Netzwerke österreichweit aus", sagt die Sprecherin der steirischen Protest-"Plattform 25", die vor Monaten mit großangelegten Demonstrationen die steirische Landesregierung zu Entschärfungen der geplanten Sparpolitik bewegt hatte.

600 Initiativen und Organisationen haben sich bisher dieser zivilgesellschaftlichen Plattform angeschlossen. Seidler: "Wir bemerken auch großes Interesse aus anderen Bundesländern. Wir werden oft gefragt: Wie habt ihr das gemacht, dass ihr Tausende auf die Straße gebracht habt?"

Hofer: Noch fehlt das Verbindende

Die Plattform 25 ist einer der Knoten eines österreichweit umspannenden, noch losen Netzes an Internet-Initiativen, die den etablierten Parteien demnächst noch das Fürchten lehren könnten. Politikberater Thomas Hofer rechnet hoch, dass diese mittlerweile mehr als zwei Dutzend Netzorganisationen bei den nächsten Nationalratswahlen mindestens zehn Prozent - mit einer nach oben offenen Skala - an Stimmen einfahren könnten.

Noch allerdings fehle das verbindende Element, eine gemeinsame Idee, eine Person, die eine Klammer um die unterschiedlichen Initiativen bilden könnte, sagt Hofer.

Den Etablierten "auf die Zehen steigen"

Das Ganze könnte aber durchaus in einer Partei münden", glaubt Christoph Bösch, Publizist, Landwirt und einer der Macher von willwählen.at. Bösch: "Wir wollen den etablierten Parteien jedenfalls ordentlich auf die Zehen steigen."

Inhaltlich geht es in den meisten Initiativen um die Bereiche "Direkte Demokratie", Transparenz, Verwaltungsreform. Entsprechend auch die Hinweise auf die Internetseiten: Amtsgeheimnis.at, mehrheitswahlrecht.at, mehr-demokratie.at oder verwaltungsreform-jetzt.at.

Kritik der Ehemaligen bringt "noch keine Revolution"

Hinter den Netzorganisationen stehen bisweilen Einzelpersonen - die jedoch bereits tausende Unterstützer mobilisieren konnten - oder Gruppierungen, die mit Altpolitikern und "Promis" ihre Anliegen an die Öffentlichkeit bringen: "Mein Österreich"- meinoe.at etwa mit agilen Politpensionisten wie Erhard Busek, Johannes Voggenhuber oder Friedhelm Frischenschlager. Gewichtige Personen im Hintergrund hat auch die Seite Respekt.net, die vor einigen Tagen mit einer Transparenz-Datenbank über heimische Politiker online ging. Hofer: "Es ist nicht verwunderlich, dass gerade jetzt derartige Initiativen boomen. Es ist ein Reformvakuum entstanden und der Bedarf an Politikhygiene groß. Und es gibt den Wunsch nach einem besseren politischen Personal. Dass jetzt Altpolitiker in dieses Vakuum stoßen, erweckt natürlich den Anschein einer gewissen Muppetisierung der Innenpolitik. Wenn sich ein Erhard Busek über seine ÖVP aufregt oder ein Johannes Voggenhuber über seine Grünen, ist das okay, aber noch keine Revolution im Parteienspektrum."

Bislang fehle bei den Initiativen noch "der große Wurf". Das Potenzial für neue Parteien sei aber "in hohem Ausmaß" vorhanden. Thomas Hofer: "Wir erleben sicher die Geburtsstunde neuer politischer Bewegungen, wie es sie in Amerika längst gibt. Es wird interessant, wie sie sich bei Wahlkämpfen verhalten werden und wie stark sie dann mobilisieren können." (Walter Müller, DER STANDARD, Printausgabe, 14.11.2011)