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"Moderne arabische Frauen" so lautet der Titel des im Oktober erschienen Interview- und Bildbands von Judith Hornok. Wer dabei an die Rolle der Frauen im Arabischen Frühling denkt, hat weit gefehlt, denn in dem Buch geht es um Portraits erfolgreicher Frauen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, im Südosten der Arabischen Halbinsel.

Der föderale Bundesstaat aus den sieben autonomen Emiraten Abu Dhabi, Dubai, Sharjah, Ajman, Umm al-Qaiwain, Fujaira und Ras al-Khaima, wird auch eher mit Reichtum und Erdöl in Verbindung gebracht als mit politischen Unruhen. Anders als in Tunesien oder Ägypten, wo der Arabische Frühling seinen Ursprung nahm, gibt es hier keine hohen Arbeitslosenzahlen oder verarmte Bevölkerungsschichten. Die einheimische Bevölkerung genießt einen relativ hohen Lebensstandard. Das patriarchale Präsidialsystem ist geprägt von Traditionen. Dass es dort keine politischen Parteien gibt, bis vor kurzem auch keine Wahlen erlaubt waren und die politische Macht in den Händen herrschender Scheichs konzentriert ist, stört anscheinend die Wenigsten. Anfang April unterschrieben zwar hundert Intellektuelle eine Petition für mehr Demokratie, die aber nicht viel Gehör fand. Menschenrechtsaktivisten und kritische Blogger wurden ohne viel Aufhebens und Proteste der Bevölkerung auch gleich verhaftet.

Modernes Image

Aber im Buch "Moderne Arabische Frauen" geht es nicht um die Revolution. Hornok, die einleitend bemerkt, dass sie vor ein paar Jahren selbst "noch ein ganz anderes Bild von Arabien und seinen Menschen" hatte, welches von radikalen Männern und unterdrückten Frauen geprägt war, will in ihrem Buch ein anderes Bild zeigen. Der Gründer der Vereinigten Arabischen Emirate, der mittlerweile verstorbene Scheich Zayed Bin Sultan Al Nayhan und seine Bemühungen Frauen und Männern den gleichen Stellenwert zukommen zu lassen werden gepriesen. Ihm sei zu verdanken, dass die Aus- und Weiterbildung der Frauen in den Emiraten einen hohen Stellenwert hat und die Gleichstellung der Frauen vorangetrieben wurde.

Die Emirate wollen seit den 1970ern ein moderneres Image aufbauen. Man will zeigen, dass die islamischen Traditionen der Emirate mit Modernität und Bildung einhergehen können. Und dass auch Frauen in den Emiraten Karriere machen können - bei Wahrung "des Nationalstolzes", der kulturellen Identität und religiöser Vorschriften. Und hier liegt auch der Haken des Buchs. Das liest sich nämlich teilweise wie farblose Werbung für die "Errungenschaften" der herrschenden Kaste. Es werden erfolgreiche Geschäftsfrauen und ehemalige Ministerinnen vorgestellt. Viele davon Töchter von angesehenen und einflussreichen Scheichs, die es sich leisten können ihre Töchter zum Studieren in den Westen zu schicken. Nicht wenige der portraitierten Frauen sind als Managerinnen und Geschäftsführerinnen in väterlichen Unternehmen tätig.

Es gibt sie, die rebellierenden Frauen

Aber die Portraits, die am interessantesten sind, sind diejenigen, in den Frauen zu Wort kommen, die neben Erzählungen über ihre Ausbildung und Berufserfahrung im Westen, auch die eigene Gesellschaft hinterfragen. So wie die Filmemacherin Nayla Al Khaja aus Dubai, die als Feuerball beschrieben wird. Sie kommt aus einer sehr religiösen und traditionellen Familie und äußert den Wunsch, dass ihre Eltern doch noch aufgeschlossener sein könnten. Sie hat als Teenagerin rebelliert und ist mit einem Kurzhaarschnitt vor der schockierten Mutter aufgetaucht. Und als die Eltern ihr verboten hatten, allein in die Schweiz zu fahren - weil laut islamischer Regel eine Frau nicht ohne männliche Begleitung reisen dürfe - nahm sie einfach ihren Pass und das nächste Flugzeug in die Schweiz, um dort an einer Konferenz teilzunehmen.

Nach ihrer Rückkehr haben die Eltern als Bestrafung zwar lange kein Wort mehr mit ihr geredet, aber selbst die konservativen Eltern haben sich scheiden lassen und sind beide wieder verheiratet. Das ist etwas, das beim Lesen dann doch überrascht. Auch andere interessante Dinge kann man über die Vereinigten Arabischen Emirate erfahren. Dass es einen Emirates Woman Award gibt zum Beispiel, der jährlich vergeben wird. Aber auch einen "Mutter des Jahres"-Preis. So nah liegen konservative und moderne Rollenbilder beieinander.

Die junge Rennfahrerin Nahla Al Rostamini wurde zwar noch nicht mit dem "Arab Woman of the Year"-Preis ausgezeichnet. Eine Kämpferin ist sie dennoch, denn sie ist die erste Rennfahrerin der Vereinigten Arabischen Emirate und bezeichnet sich als "Speed-Frau". Ihr Onkel hat ihr das Fahren beigebracht und schon der Vater - ein reicher Geschäftsmann - machte sich Kart-Fahren zum teuren Hobby.

Im Schatten der Männer

Und da ist er schon wieder, der Schatten der Väter und Ehemänner. Denn viele der portraitierten Frauen sind zwar erfolgreiche Managerinnen in Spitzenpositionen, aber der Erfolg kann nur mit Zustimmung und Wohlwollen der Familie ermöglicht werden. Da haben dann zwar auch Großmütter und Mütter ein großes Wort zum Mitreden, aber die Strukturen sind immer noch patriarchal. Das wird in Hornoks Buch nicht kritisiert. Stattdessen wird viel über Traditionsbewusstsein und Männer, die Frauen respektieren, geschrieben.
Wenn die Autorin in der Einführung auch noch darüber schreibt, dass "dieses Buch auch ein Buch über die neue Generation der Männer dieses Landes ist, denn ohne ihr Wohlwollen und ihre Unterstützung hätten sich dieses Frauen niemals in dieser unglaublichen Dynamik weiterentwickeln können," dann klingt das alles nicht mehr nach einem Emanzipations-Märchen aus tausendundeiner Nacht.

Die Weiterentwicklung von starken und selbstbestimmten Frauen vom Wohlwollen der Männer abhängig zu machen gehört in eine andere Märchenecke und steht im Widerspruch zum Bild einer modernen Frau. Dass im Buch auch immer wieder von dankbaren Frauen, die sehr zufrieden mit der Regierungsweise des Landes und ihre Staatsoberhäuptern und den angebotenen Möglichkeiten sind, die Rede ist hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

Wer über die Lebenserfahrung arabischer Frauen und Männer, und auch mehr über starke Frauen erfahren will, dem ist die Lektüre zahlreicher aktueller Bücher über den Arabischen Frühling anzuraten. Interessanter wäre der Bild- und Interviewband auch gewesen, wenn die vielen EinwandererInnen in den Emiraten befragt worden wären. Denn mit einer Migrantenquote von achtzig Prozent, viele davon aus Indien oder den Philippinen, gibt es dort eine große Bevölkerungsgruppe, die nicht annährend dieselben Rechte und Lebensstandards wie die Einheimischen genießt. (Güler Alkan, 12. November 2011, daStandard.at)