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Der international renommierte Ökonomieprofessor Mario Monti, von 1999 bis 2005 EU Kommissar für Binnenmarkt und Wettbewerb, soll Italien wieder in sichere Gewässer führen.

Foto: dapd

Die beiden kommen aus konträren Welten, doch ihre gegenseitige Geringschätzung lassen sie nie durchscheinen. Giorgio Napolitano, 86, gilt vielen als das Gewissen der Nation. Silvio Berlusconi, 75, hat hingegen - so scheint es - die Ethik aus der Politik verbannt. Dem Premier vertrauen 18 Prozent der Italiener, dem Staatschef 92 Prozent.

Als die Zinsen italienischer Staatsanleihen am Mittwoch über die kritische Sieben-Prozent-Marke kletterten, sah Napolitano den Augenblick zur Beruhigung der Märkte gekommen: Berlusconis Rücktritt werde umgehend erfolgen, die Demission sei bereits unterzeichnet. Dann verordnete er dem Parlament höchste Eile: Bis Samstag müsse das Konjunkturpaket verabschiedet werden.

Einen absolut überraschenden Coup lieferte der Staatspräsident dann pünktlich zur abendlichen Nachrichtensendung: Er ernannte Mario Monti zum Senator auf Lebenszeit. Der angesehene Ökonom und Rektor der Mailänder Wirtschaftsuniversität Bocconi habe sich um Italien verdient gemacht. Nach dem Tod Francesco Cossigas im August 2010 steigt die Zahl der Senatoren auf Lebenszeit damit wieder auf sieben.

Napolitanos Schachzug bedeutet eine Wende in der politischen Krise des Landes. Monti ist seit Wochen als Chef einer Regierung der nationalen Einheit im Gespräch, die dem schwer verschuldeten Land die überfälligen Reformen verordnen könnte. Berlusconi hatte das stets abgelehnt und auf sofortige Neuwahlen gepocht.

Nun hat ihm Napolitano einen Strich durch die Rechnung gemacht - denn jetzt ist Monti plötzlich kein "externer Technokrat" mehr, sondern Parlamentarier wie der Cavaliere auch. Nach fünfstündiger Diskussion zog Berlusconi sein Veto zurück.

Gegen Monti kann der scheidende Premier ohnedies nichts einwenden: Er hatte ihn schließlich selbst 1995 zum EU-Kommissar für den Binnenmarkt ernannt. Geht Napolitanos Rechnung auf, dann sitzen Mitte-Rechts und Mitte-Links erstmals im selben Boot, nach Jahren der gegenseitigen Verwünschung und Verteufelung.

Auch baldige Neuwahlen wären somit vom Tisch, die Legislaturperiode könnte plangemäß bis zum Frühjahr 2013 laufen.

Napolitano war es leid, die Politiker immer wieder vergeblich zum Dialog zu mahnen. Jetzt zwingt er sie ganz einfach dazu und bereitet den ewigen Ränkespielen ein jähes Ende.

Rücktritt am Samstagabend

Das Konjunkturpaket soll nun in zwei Tagen durch Senat und Abgeordnetenkammer gejagt werden. Die Linke begrüßt es nicht, wird es aber auch nicht verhindern. Am Samstagabend soll Berlusconi dann zurücktreten. Monti könnte daraufhin bereits am Montag mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Reichlich verfrüht spekulierten Italiens Medien am Donnerstag über das neue Kabinett, dem auch der frühere Regierungschef Giuliano Amato als Innenminister angehören soll. Lorenzo Bini Smaghi könnte seinen Sitz im EZB-Vorstand räumen und Giulio Tremontis Nachfolge als Finanzminister antreten. Auf Berlusconis Wunsch hin sollen der neuen Mannschaft auch sein langjähriger Staatssekretär Gianni Letta und Außenminister Franco Frattini angehören.

Die Lega Nord will sich nun in der Opposition regenerieren und beendet die unheilvolle Allianz mit Berlusconi. Der Föderalismus, ihr einziges Reformprojekt, wird auf Eis gelegt. Umberto Bossi: "Wie schön, wieder in der Opposition zu sein." Auch die Partei Italia dei Valori von Ex-Staatsanwalt Antonio di Pietro will Monti das Vertrauen verweigern, sie fürchtet "sozialen Kahlschlag".

Der Partito Democratico hätte Neuwahlen bevorzugt und wird unpopuläre Beschlüsse mittragen müssen. Dafür kann er sich vom Albtraum Berlusconi erholen. (DER STANDARD Printausgabe, 11.11.2011)