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Wien - Als sie 1974 an diesem Ort zum ersten Mal in die Tiefe bohrten, war am Ende wohl lautes Fluchen in der Ebene des Asperner Flugfeldes zu hören. Seit Mittwoch wird genau hier daran gearbeitet, einen Bohrkopf neuerlich in die Tiefe zu treiben - um genau auf das zu stoßen, was damals gefunden worden war: heißes Wasser. Damals, in den 70ern, hatte die OMV nach Öl- oder Gasvorkommen gesucht. Jetzt ist es die Wien Energie, die das dort unten ruhende, rund 150 Grad heiße Thermalwasser nützen will - um bei der Erzeugung von Fernwärme auf fossile Energieträger verzichten zu können.

Das Projekt Geothermie-Kraftwerk Aspern wird das größte seiner Art in Österreich sein: Die erwarteten 40 Megawatt thermisch sind mehr als doppelt so viel, wie jede andere vergleichbare Anlage im Land bieten kann. Mit diesem Output kann der Warmwasser- und Heizenergiebedarf von insgesamt mehr als 40.000 Wohnungen und Betrieben abgedeckt werden.

Überschuss ins Fernwärmenetz

Also weit mehr als die rund 20.000 Wohnungen des geplanten neuen Stadtteiles Seestadt Aspern, für die dieses geothermische Kraftwerk errichtet wird. Der "Überschuss" soll über das Fernwärmenetz der Stadt Wien weitergeleitet werden. Im Vergleich zu einer fossilen Fernwärmeproduktion ist dies eine Einsparung von jährlich 130.000 Tonnen CO2.

Das Thermalwasser wird überdies auch Methan mit an die Oberfläche bringen, das in der Anlage abgesondert und verstromt wird - und den Eigenenergiebedarf des Kraftwerks abdecken soll.

Vorerst allerdings gilt es noch einiges zu buddeln. Denn das 150 Grad heiße Wasser wird in einer Tiefe von rund 5000 Metern erwartet. "Das Wasser lagert im Hauptdolomit, einer Gesteinsschicht, die vom Bereich des Anningers im Süden Wiens schräg hinunter in die Tiefe führt", erläutert Michael Kotschan, Geschäftsführer der von der Wien Energie gegründeten Geothermiezentrum Aspern GmbH. Ein brüchiges, bröseliges Gestein, ideal für derartige Bohrvorhaben: "Das heißt, wir schaffen keine künstlichen Risse, sondern nehmen nur, was natürlich vorhanden ist, nämlich heißes Thermalwasser."

Dieses wird dann ganz von selbst an die Oberfläche drücken. Dort wird dem Heißwasser über einen Wärmetauscher die Wärmeenergie entzogen, die in das Fernwärmenetz eingespeist wird.

Eine schräge Bohrung

Dazu kommt noch eine zweite Bohrung, die in rund 3600 Meter Tiefe führen wird. Durch diese zweite Röhre wird dann das an der Oberfläche abgekühlte Wasser wieder in den Untergrund gepumpt. Diese beiden Bohrungen werden derart schräg ausgeführt, "dass die Endpunkte in einer Entfernung von rund zwei Kilometern liegen werden", erklärt Kotschan.

Auch sonst soll das Geothermie-Kraftwerk den Wasserhaushalt in der Tiefe so gut wie überhaupt nicht beeinflussen. Kotschan: "Das ist wie ein Stich in einen Heuhaufen. Das Thermalwasser-Vorkommen ist dort unten derart groß, dass im nordöstlichen Raum von Wien noch einige weitere derartige Projekte möglich wären."

45 Millionen Euro Investition

Die Errichtung des Geothermie-Kraftwerks Aspern soll rund 45 Millionen Euro kosten. Zunächst wird auf dem ehemaligen Flugfeld ein rund 45 Meter hoher Bohrturm errichtet, von dem aus die erste Bohrung bis Mitte 2012 bis in 5000 Meter Tiefe vorangetrieben wird. In etwa zehn Metern Entfernung wird dann bis etwa Ende 2012 das zweite, kürzere Bohrloch gebohrt.

Für Ende 2013 ist die Fertigstellung der ersten Wohnungen in der Seestadt geplant - gleichzeitig soll auch die Verlängerung der U2 über zwei weitere Stationen in das Stadtentwicklungsgebiet hinein fertiggestellt sein. 2014 soll dann das Geothermie-Kraftwerk in Betrieb genommen und an das Fernwärmenetz der Stadt angeschlossen werden.

Ein entscheidender Vorteil: Die Bewohner werden abgesehen vom Bauwerk kaum merken, dass sich in ihrer unmittelbaren Nähe ein Kraftwerk befindet. Es emittiert nicht nur keine Schadstoffe - sondern auch keinen Lärm: Da kein Dampf produziert oder abgelassen wird, gibt es im Betrieb auch keine nennenswerte Geräuschentwicklung. Und da keine Brennstoffe angeliefert werden müssen, brauchen auch keine Lastwagen zum Kraftwerk zu tuckern. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, Printausgabe, 10.11.2011)